Die Gottessucherin
sieben Tage lang, und mit Baumwolle geprüft, ob noch Spuren von Blut an ihr waren. Sie hatte weiße Wäsche getragen und ihr Bettlaken gewechselt. Heute, am siebten Tag nach Beendigung ihrer Regel, hatte sie jeden Schmuck abgelegt, die Fingernägel gereinigt und die Zähne geputzt, damit sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen vollkommen sauber wäre. Dann hatte sie mit ihrer Mutter die Mikwa aufgesucht, um hier die eigentliche, die rituelle Reinigung vorzunehmen, die nicht nur den sichtbaren Schmutz von ihrem Körper entfernen sollte, sondern auch jenen unsichtbaren Makel, der ihrer Seele anhaften mochte.
Gracia wusste, diese Reinheit ließe sich nirgendwo sonst herstellen, gleichgültig, wie viel Wasser man verwendete. Sie selbst hatte sich wieder und wieder gewaschen, um das unsaubere, klebrige Gefühl loszuwerden, das sie so lange geplagt hatte. Doch nichts hatte geholfen.
Auf einem Teller am Beckenrand lag ein Kuchen bereit, den Gracia gebacken hatte. Der Kuchen war kreisrund: Symbol der Vollkommenheit und Fruchtbarkeit.
»Pru u'rwu!«, rief sie und brach das Gebäck über dem Kopf ihrer Tochter. »Seid fruchtbar und vermehret euch!« Ein Hauch von Heiligkeit und Würde umgab Reyna, als sie das Becken verließ und durch die Grotte schritt, ohne sich ihrer Blöße zu schämen.
Gracia konnte es immer noch nicht glauben. Morgen würde ihre Tochter zur Frau - durch den Mann, für den sie ihr Leben gewagt hatte, um das Leben mit ihm zu teilen. Könnte es ein deutlicheres Zeichen geben? Während sie sich abtrocknete und ihre Kleider anzog, fühlte auch Gracia sich von dem Bad gereinigt. Das zwanghafte Bedürfnis, sich zu waschen, hatte sich fast vollständig verloren, und eine ruhige Gewissheit erfüllte sie, nach der sie sich so viele Jahre vergeblich gesehnt hatte. Wenn Gott je zu ihr gesprochen hatte, dann durch Reyna, ihre Tochter. Durch Reynas Geburt hatte er ihr die erste große Sünde ihres Lebens verziehen, die Lüge in ihrer Hochzeitsnacht. Durch Reynas Gebet in der Kathedrale von Lissabon hatte er sie davor bewahrt, von ihrem Glauben abzufallen. Durch Reynas Bekenntnis zu José hatte er sie aus der Verhärtung ihres Herzens gelöst, mit der sie den Krieg gegen den Papst geführt hatte, ohne Rücksicht auf die Menschenopfer, die dieser Krieg forderte.
Rabbi Soncino hatte schon früher versucht, ihr die Zeichen zu deuten, die Gott ihr durch Reyna sandte. Doch erst jetzt, als alte Frau, war sie bereit, die Botschaft in sich aufzunehmen.
Als Gracia fertig bekleidet war und ihren Schmuck wieder anlegen wollte, zögerte sie. Nachdenklich betrachtete sie die Kette in ihrer Hand. Der Anhänger war aus Elfenbein und zeigte eine bekrönte Frau. Diogo hatte ihr den Schmuck zur Hochzeit geschenkt. Wie stolz war sie gewesen, als sie geglaubt hatte, die Frau auf dem Bildnis zu erkennen! Seitdem hatte sie das Medaillon fast täglich getragen.
War jetzt der Augenblick gekommen, den Schmuck weiterzugeben?
Reyna schloss gerade den letzten Knopf ihrer Bluse, als Gracia zu ihr trat.
»Du heiratest zwar erst morgen«, sagte sie, »aber ich möchte dir jetzt schon etwas schenken.«
Reyna schaute erst den Schmuck, dann ihre Mutter an. »Aber das ist doch dein Medaillon! Das Esther-Amulett!« Gracia schüttelte den Kopf. »Niemand weiß, wer die Frau darauf wirklich ist.« Sie legte Reyna die Kette um den Hals und berührte mit den Händen ihr Gesicht. »Ab heute sollst du das Medaillon tragen«, sagte sie und küsste ihre Tochter auf die Stirn. »Es gehört jetzt dir.«
2
Hochzeit! Hochzeit im Gelobten Land!
Gracia war aufgeregt wie am Tag ihrer eigenen Trauung, doch diesmal vor Freude, als sie Reyna im hellen Mittagssonnenschein durch die Reihen der Festtagsgäste zur Chuppa führte, dem weißen Baldachin, in dessen Schatten José auf seine Braut wartete. Obwohl es gegen die Vorschrift verstieß, hatten sie sich entschlossen, die Hochzeit an einem Freitag zu feiern. In ihrer portugiesischen Heimat war es Brauch gewesen, am Vortag des Sabbats zu heiraten, um den Beginn der Ehe durch den nahenden Ruhetag zu weihen, und diesen Brauch wollten sie in der neuen Heimat weiterführen.
Ja, Gracia war mit ihrer Tochter in Tiberias angekommen, im Gelobten Land, wie es der Prophet auf der Praca do Rossio vorausgesagt hatte, zusammen mit Hunderten jüdischer Glaubensbrüder. Prinz Selim, Sultan Süleymans Sohn und Thronfolger des Osmanischen Reiches, hatte José nach Beendigung der Blockade von Ancona die Hoheitsrechte
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