Die Gottessucherin
Mönch.
»Dann lasst meinen Mann frei.«
»Das kann ich nicht - niemand kann das, nicht einmal der König. Das könnt nur Ihr selbst.« Cornelius Scheppering nickte ihr zu. Gracia starb fast vor Angst. All die Anschuldigungen, die der Dominikaner erhoben hatte, entsprachen ja der Wahrheit. Tristan da Costa hatte Enrique Nunes im Auftrag ihres Mannes ermordet und war nach Franciscos Verhaftung bei Nacht und Nebel außer Landes geflohen, um selbst der Verfolgung zu entkommen. Brianda hatte es ihr unter Tränen erzählt.
Im Kamin prasselte das Feuer, und die brennenden Äste knackten. Wie bei einem Scheiterhaufen.
»Welche Summe soll die Firma Mendes Eurem Orden zahlen?«, fragte Gracia.
»Ich will kein Geld. Ich bin gekommen, um Eure Seele zu retten.« »Sagt mir eine Summe! Soviel Ihr wollt! Mein Mann ist reich.« »Wollt Ihr mit mir um Eure Seele schachern? Pfui Teufel! Kniet nieder!«
Cornelius Scheppering sprach mit solcher Schärfe, dass Gracia unwillkürlich gehorchte. Mit dem Kreuz in der Hand trat er auf sie zu. Sie fühlte sich so schwach, dass sie sich kaum auf den Knien halten konnte. Wollte er, dass sie sein Kreuz küsste? Bei der Vorstellung mischte sich Wut in ihre Angst. Doch sie beherrschte sich. Alles, was sie jetzt tat, tat sie für Francisco, ihren Mann.
»Ihr wisst, wie man beichtet?«, fragte Cornelius Scheppering. Gracia nickte.
»Dann falte die Hände, meine Tochter, und befreie dein Herz von der Sünde.«
Obwohl sie nicht wusste, was der Dominikaner bezweckte, schlug sie das Kreuzzeichen.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
»Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit«, erwiderte Cornelius Scheppering im selben Tonfall wie Padre Alfonso, der ihr sonst die Beichte abnahm. »Du kannst mit deinem Sündenbekenntnis beginnen.«
Gracia zögerte. Padre Alfonso wusste, dass sie im Herzen eine Jüdin war und nur zum Schein das Ritual erfüllte, und ihr Seelenheil war ihm so gleichgültig wie das Schwarze unter seinen Fingernägeln. Doch Gracia spürte, diese Beichte war anders. Cornelius Scheppering war kein einfältiger Gemeindepfarrer, der für ein paar Dukaten seinen Gott verraten würde. Mit einem Lippenbekenntnis würde er sich nicht begnügen. Also überwand sie sich und sagte: »Ich ... ich habe nicht immer die Wahrheit gesprochen.«
»Eine Sünde wider das achte Gebot? Bete zur Buße ein Vaterunser. Welche Sünden hast du außerdem begangen?« »Ich habe meinem Vater widersprochen, als er ...« »Das vierte Gebot. Ein Ave-Maria. Weiter!« »Ich habe die Frauen beneidet, deren Männer nicht wie meiner im Gefängnis ...«
»Das zehnte Gebot! Ich verzeihe dir. Weiter, weiter! Was noch?« Gracia ahnte, worauf der Dominikaner lauerte. Aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Niemals würde sie ihrem Glauben abschwören. Um dem gefürchteten Bekenntnis zu entkommen, fiel ihr nur ein Ausweg ein.
In der Hoffnung, dass Cornelius Scheppering so falsch und verdorben wie ihr Beichtvater war, sagte sie leise: »Ich ... ich habe unkeusche Gedanken gehabt.«
Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, bereute sie ihn. Wann immer sie Padre Alfonso die Sünde des Fleisches bekannte, stellte er viele Fragen, und während er sich ans Gitter des Beichtstuhls beugte, um ihren Antworten zu lauschen, raschelte seine Soutane. Alles wollte er wissen. Welche Gedanken sie meine? Ob sie sich dabei berühre? An welchen Stellen ihres Körpers? Jetzt würde Cornelius Scheppering sie in gleicher Weise bedrängen. Und sie musste diesem Fremden gestehen, was sie in manchen Nächten tat, wenn sie Francisco so schmerzlich vermisste, dass sie es nicht mehr aushielt.
Doch der Dominikaner stellte ihr keine einzige Frage.
»Ich ... ich liebe meinen Mann«, stammelte sie. »Mehr habe ich nicht zu bekennen.«
Statt einer Antwort ließ der Mönch nur ein leises Grunzen vernehmen. Gracia wagte nicht, zu ihm aufzuschauen. Wie eine Drohung schwebte das böse Schweigen über ihr. »Ich erkenne mit Freuden«, sagte er, »dass du die Wahrheit sprichst und deine Unkeuschheit nicht vor mir verbirgst. Zur Strafe für deine Gedanken bete einen Rosenkranz.« Gracia atmete auf.
»Aber«, fuhr er fort, »ich sehe noch eine Sünde in deinem Herzen. Eine viel größere Sünde als die des Fleisches.« »Welche Sünde meint Ihr?«
»Weißt du das wirklich nicht? Sie betrifft das erste Gebot!« Nein, es gab keinen Zweifel, was der Dominikaner
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