Die Gottessucherin
bezweckte, und nichts brachte ihn ab von seinem Ziel. Verzweifelt versuchte Gracia, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn sie das Bekenntnis ablegte, das er ihr abpressen wollte, musste sie Gott verraten, den König und Herrn. Widersetzte sie sich aber seinem Willen, gefährdete sie das Leben ihres Mannes. Was immer sie tat, sie würde noch mehr Schuld auf sich laden. »Nun?«, sagte Cornelius Scheppering. »Worauf wartest du?« Gracia schloss die Augen.
>Das ganze Jahr über können wir nicht die Gebote befolgen und müssen uns wie Christen verhalten, gegen unseren Willen. Doch wisset: Wir waren und sind Juden, durch und durch !<
Wie sehr hatte sie das Jom-Kippur-Gebet sonst verachtet, doch jetzt war die Aufhebung der Pflicht, sich zum Gott des Volkes Israel zu bekennen, ihre einzige Zuflucht. Ohne die Augen zu öffnen, flüsterte sie: »Ja, ich habe gegen das erste Gebot gesündigt. Ich habe einen fremden Gott angebetet.« »Welchen fremden Gott?« Gracias Lippen blieben stumm.
»Vorwärts! Bekenne! Damit ich dir vergeben kann! Nenne seinen Namen!«
Wusste der Mönch, dass sie diesen Namen niemals aussprechen durfte? Gracia bat Haschern in ihrem Innern um Vergebung, als sie den Mund öffnete. »Den ... Jahwe, den Gott des Volkes Israel.« Cornelius Scheppering stieß einen Seufzer aus, als habe ihr Geständnis ihn von einer überschweren Last befreit. »Gelobt sei der dreifaltige Gott! Er hat seine Gnade über dich ausgegossen und deine Zunge gelöst. Groß ist seine Macht, doch noch größer ist seine Güte! Obwohl dir die Taufe zuteil wurde, hast du dich von dem Erlöser abgewandt und bist in der Finsternis gewandelt. Er aber hat mich zu dir geschickt, als sein Werkzeug, um dir das Licht zu bringen. Gelobt sei sein Name, von Ewigkeit zu Ewigkeit!«
Der Mönch legte seine Hand auf Gracias Scheitel.
»Sprich mir nach! - Ich bereue, dass ich Böses getan und Gutes unterlassen habe.«
»Ich bereue, dass ich Böses getan und Gutes unterlassen habe.« »Erbarme dich meiner, o Herr.« »Erbarme dich meiner, o Herr.«
Cornelius Scheppering erhob seine Stimme zur Absolution. »Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Zum Zeichen deiner Buße und Bekehrung trage ich dir auf, den Leib des Herrn zu küssen.« Gracia öffnete die Augen. Vor ihrem Gesicht, so nah, dass sie die Wärme des Fleisches zu spüren glaubte, zitterte das nackte rote, glänzende Glied des Mönchs.
»Was weichst du zurück?«, rief er. »Willst du dich dem Willen Gottes entziehen?«
Mit aller Kraft drückte er seine Hand auf ihren Kopf. Vor Wut kamen ihr die Tränen. Und doch war sie unfähig, sich zu rühren. Wie gelähmt starrte sie auf das zuckende Stück Fleisch. Der Ekel drehte ihr den Magen um.
»Wenn du das Rettungswerk vollenden willst, musst du ihn küssen ...«
Sie roch seine Ausdünstung, den feinen, scharfen, bitteren Geruch von Urin, gemischt mit einem kaum wahrnehmbaren Hauch von Fisch. Brechreiz würgte in ihrer Kehle. War dies das Opfer, von dem Rabbi Soncino gesprochen hatte? Das Opfer, das ihr schwerer fiel als die Tötung ihres eigenen Lebens? »Tue Buße! Oder deine Beichte ist nichts wert! Niemand außer dir kann deinen Mann befreien!«
Gracia zitterte am ganzen Leib, und ihre Zähne schlugen aufeinander. Nein, Gott hatte ihr den Frevel nicht vergeben. Die Sünde hatte sie eingeholt, als die Erde kreißte und barst und die Leiche des Verräters ausspie.
>Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren.<
Unversehrt war der Hochzeitskelch vor ihre Füße gerollt, und obwohl Francisco den Tempel seines Glaubens nie vergessen hatte, hatten sie ihn festgenommen, um ihn zu foltern und vielleicht sogar zu töten. Jetzt musste sie den Kelch aufheben und ihn bis zur Neige leeren.
Gracia würgte den Brechreiz hinunter, und während sie die Augen schloss, formte sie ihre Lippen zum Kuss.
30
»Vater! Vater ist wieder da!« Reynas Stimme schnappte fast über, als sie die große Treppe heruntergelaufen kam. Wie ein Ball hüpfte sie um Francisco herum, und ehe er sich's versah, sprang sie ihm auf den Arm und drückte ihn so fest an sich, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Er schrie laut auf vor
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