Die Gottessucherin
in die Zange zu nehmen - Aragon hatte schon zwei Folterknechte an ihm verschlissen, nur um den Namen eines Mannes in Erfahrung zu bringen, der längst über alle Berge war. Cornelius Scheppering änderte sein Ziel. »In die Rua Nova dos Mercadores!«
28
»Was wünscht Ihr?«
Als die Herrin des Hauses No. 18 ihn empfing, wollte Cornelius Scheppering seinen Augen nicht trauen. Aus dem Gesicht der Frau sah ihn die Muttergottes an, die heilige Jungfrau Maria, die gnadenreiche Allerbarmerin, die ihm einst erschienen war, um ihn auf den rechten Weg zu führen. Im selben Moment regte sich die Schlange.
»Gelobt sei Jesus Christus«, sagte er mühsam beherrscht.
»In Ewigkeit. Amen«, antwortete sie.
»Spreche ... spreche ich mit Dona Gracia Mendes?«
»Spreche ... spreche ich mit Dona Gracia Mendes?«
»Beatrice ist mein christlicher Name. Aber ja - Francisco Mendes ist mein Mann.« Ein hoffnungsfrohes Leuchten ging durch ihr Gesicht. »Habt Ihr Nachricht von ihm?«
Cornelius taumelte einen Schritt zurück. Er konnte und konnte es nicht fassen. Sie war der Jungfrau wie aus dem Gesicht geschnitten: die hohe Stirn, die kleine, zierliche Nase, der volle, liebessüße Mund ... Das sollte Gracia Mendes sein? Eine scheingetaufte Jüdin? Die Komplizin eines Mordbuben? Noch während er an seinen Sinnen zweifelte, traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz in dunkler Nacht. Diese Frau war ihm von Gott bestimmt, sie war seine Mission! Kaum hatte er das begriffen, war er wieder gefasst. »Ich bin gekommen, um Eure Seele zu retten.« »Wie bitte?«
»Gott hat mich zu Euch geschickt.«
»Gott?« Die Hoffnung schwand aus Gracias Gesicht. »Ihr braucht meine Seele nicht zu retten. Ich erfülle alle Christenpflichten. Ich besuche jeden Sonntag die Messe, und ich gehe zur Beichte. Fragt Padre Alfonso, den Pfarrer meiner Gemeinde.« »Ihr sollt den Glauben nicht mit den Lippen bekennen«, erwiderte Cornelius Scheppering, »sondern mit Eurem Herzen.« »Was veranlasst Euch, so mit mir zu sprechen?« »Die Dunkelheit in Eurer Seele.« Er zeigte auf ihre Brust. »Was ist das für ein Medaillon?«
Gracia wurde rot. »Das ... ist die Jungfrau Maria.« »Lügt mich nicht an! Das ist das Bildnis einer Jüdin.« »Wie kommt Ihr darauf?«
»Ich habe Beweise.« Er klopfte auf den Aktendeckel, den er unter dem Arm trug. »Beweise, die Euch belasten. Euch und Euren Mann.«
»Was ist mit meinem Mann? So sprecht endlich - bitte! Ich war in der Hofkanzlei, Senhor Aragon, der Converso-Kommissar, hat mich empfangen. Ich habe ihm fünfhundert Dukaten gegeben. Er hat versprochen, mir Nachricht zu geben, aber bis jetzt ...« »Ich habe mit diesen Dingen nichts zu tun«, unterbrach sie Cornelius Scheppering. »Francisco Mendes ist ein Gefangener des Königs.«
»Weshalb seid Ihr dann hier?«
»Ich sagte schon: um Euch zu helfen. Kennt Ihr Enrique Nunes?« Sie wich seinem Blick aus. Er wusste ihr Schweigen zu deuten und nickte.
»Ja, Ihr kennt ihn. Er war auf Eurer Hochzeit. Durch ihn habe ich erfahren, was es mit Eurem Medaillon auf sich hat. Es stellt eine jüdische Irrgläubige dar. So wie Ihr zum Schein einen christlichen Namen tragt, verehrt Ihr Eure Götzen in fremder Gestalt.« Er sah, wie Gracia blass wurde. Kein Zweifel, er hatte ins Blaue gezielt, aber ins Schwarze getroffen.
»Pfui Teufel!«, rief er. »Ihr habt den Namen der Muttergottes missbraucht! Zur Tarnung einer jüdischen Hure!«
»Wie könnt Ihr es wagen, Königin Esther eine Hure zu nennen?« Bei der Nennung des Namens machte sein Herz vor Freude einen Sprung.
»Das Bildnis stellt also die Jüdin Esther dar?« Erregt schlug er seinen Aktendeckel auf, fuhr mit dem Finger die Zahlen entlang, die er nicht hatte entschlüsseln können, verglich sie mit dem Namen, der Gracia Mendes entschlüpft war. Ja, es passte alles zusammen, sechs Zahlen und sechs Buchstaben - das letzte Körnchen Wahrheit war gefunden. Er wandte die Augen zum Himmel, um seinem Herrgott zu danken. Die Sünderin hatte die Lösung verraten, bevor er sie überhaupt gefragt hatte. War sie bereits auf dem Weg der Reue? »Gelobet seiest du, Herr und ewiger ...«
Als er seinen Blick wieder auf Gracia richtete, verstummte er mitten im Satz. Als wäre kein Stoff da, als trüge sie ihre Kleider wie ihren Namen nur zum Schein, sah er sie plötzlich nackt -jede Rundung, jede Wölbung ihres Leibes erkannte er. Laut stöhnte er auf. War das ein Gaukelspiel des Teufels? Oder ein göttliches Gnadenwunder? Er hatte sie
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