Die Gottessucherin
schon einmal so gesehen, nach seinem Eintritt in den Orden. Genauso war sie ihm damals erschienen, in der Dunkelheit der Nacht, um ihn zu belohnen, für seine Abkehr vom Judendienst... Nein, das war kein Gaukelspiel! Das war eine Erscheinung! Gott hatte ihn zu dieser Frau geschickt - ihre Rettung war seine Mission. Er hob einen Arm und wandte den Blick zur Seite, um seine Augen nicht an ihrer Blöße zu versengen.
»Im Namen Eures Seelenheils - seid Ihr eine katholische Christin?«
Sie nickte.
»Glaubt Ihr an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde?« »Ja, das tue ich.«
»Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der empfangen ist vom Heiligen Geiste?«
»Bitte«, sagte Gracia leise, »lasst meinen Mann frei!« »Antwortet mir! Glaubt Ihr an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn?«
»Habt Erbarmen!« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Bitte! Ich flehe Euch an! Helft meinem Mann!«
»Helft Eurer Seele!«, erwiderte er. »Beweist Euren Glauben! Macht kehrt!«
Er schaute ihr ins Gesicht, doch seine Augen suchten ihren Leib. Weiß schimmerte die Haut ihrer Brüste und ihrer Schenkel unter dem Kleid. Sie war so zart, so rein, wie die Seele eines Kindes, bereit, den Herrn zu empfangen ... Cornelius Scheppering schauderte. Nicht nur einmal - unzählige Male war sie ihm in dieser Gestalt schon erschienen ... All die endlosen, angsterfüllten Nächte im Urwald, am Ufer des Amazonas ... Das Zischeln der Schlangen im Unterholz, das Flügelschlagen dunkler, riesiger Himmelsvögel, die Buschtrommeln der Wilden ... Und dann die Todesschreie seiner Glaubensgenossen, die mit dem Namen des Herrn auf den Lippen starben ... Sie war die Einzige gewesen, die ihm beigestanden hatte ...
»Ich weiß alles über Euch«, sagte er. »Ihr könnt der Wahrheit nicht entrinnen!« Er war entschlossen, ihr die Beweise zu zeigen, und obwohl der Schmerz, den er ihr zufügen musste, ihm selbst das Herz zerriss, wollte er sie zwingen, in den Spiegel ihrer Taten zu blicken, wie Gott die Sünder am Tag des Jüngsten Gerichts, wenn er das große Buch aufschlagen würde, in denen alle Taten der Menschen verzeichnet sind, um die Gerechten von den Verdammten zu scheiden.
»Da!«, rief Cornelius Scheppering und tippte mit dem Finger auf eine Seite. »Die Flüchtlingsgeschäfte Eures Mannes ... Da! Eure Hochzeit nach jüdischem Brauch ... Und da! Eure eigenen Worte, mit denen Ihr Euer Medaillon als Bildnis der Königin Esther gedeutet habt ...«
Er klappte den Aktendeckel wieder zu.
»Macht kehrt, Gracia Mendes!«, rief er ihr zu, wie einst die Jungfrau ihm selbst zugerufen hatte. »Ich beschwöre Euch! Oder die Wahrheit wird Euch vernichten! Euer Mann hat den Befehl gegeben, Enrique Nunes umzubringen!« Sie zitterte am ganzen Leib, Panik flackerte in ihren Augen. »Welchen Preis verlangt Ihr?«, fragte sie. »Ihr meint - für diese Beweise?«
Sie nickte. »Ich habe die Schlüssel meines Mannes. Ich bin bereit, Euch alles zu geben, was wir haben.«
Der Anblick ihrer Ohnmacht steigerte sein Verlangen ins Unermessliche. Er war nur noch einen Schritt von der Erreichung seines Ziels entfernt. Er würde sie retten. »Alles?«, fragte er mit rauer Stimme. »Wirklich - alles?« Als sie abermals nickte, erfasste ihn eine Ekstase, wie er sie sonst nur nach langem Fasten und Beten erlebte. Sie hatte seine Rute geküsst und sich anschließend mit ihm vereint, in jenen schwarzen, fürchterlichen Urwaldnächten, um ihn zu trösten. Und jetzt stand sie vor ihm, in Fleisch und Blut ... Er musste sie haben! Zur Rettung ihres Seelenheils! Wenn sie seine Rute küsste und sich mit ihm vereinte, wäre ihre Seele der Hölle entrissen. Eine Kinderstimme rief irgendwo im Haus. »Mutter! Wo bist du? Du hast versprochen, mit mir zu spielen!« Cornelius Scheppering achtete nicht darauf. Ohne den Blick von der Frau zu lassen, die ihn als ihren Erlöser erwartete, ging er zur Tür und schob den Riegel vor. Er war bereit, sein Rettungswerk zu beginnen.
29
Gracia schaute zur Tür. Kaum gedämpft durch die Füllung, hörte sie die Stimme ihrer Tochter, dann Schritte. Eine Zofe sprach mit Reyna. Gracias Herz klopfte bis zum Hals. Sollte sie um Hilfe rufen?
»Ihr braucht Euch nicht zu fürchten«, sagte Cornelius Scheppering.
Draußen verloren sich die Stimmen und Schritte wieder im Haus. Gracia drehte sich um.
»Weshalb habt Ihr die Tür verriegelt?«, fragte sie.
»Weil ich Euch helfen will«, erwiderte der
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