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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Schmerzen. Als sie sein verzerrtes Gesicht sah, schickte sie ein Gebet zum Himmel: dass dies hier nicht die Wahrheit war, dass sie sich irre, irgendeinem Betrug aufsaß. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sein Gesicht sich wieder etwas entspannte.
    »Hör gut zu«, flüsterte er. »Ich muss dir wichtige Dinge sagen ... Dinge, die du tun musst ...«
    Er sprach so leise, dass sie sich über sein Gesicht beugte, um ihn besser zu verstehen. Sein Atem war kaum noch zu spüren. Sie wusste, was das bedeutete. Nein, der Himmel hatte ihr Gebet nicht erhört. Wie ein böses Gift sickerte die Wahrheit in ihr Bewusstsein, mit jedem dieser lautlosen, unmerklichen Atemzüge. Francisco würde sterben. Er würde sie für immer verlassen. »Was soll ich tun?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Soll ich Reyna holen?«
    »Nein ... ich habe schon Abschied von ihr genommen. Als die Schmerzen anfingen. Sie ... sie soll mich so in Erinnerung behalten wie heute Morgen ... Nicht so ... wie jetzt ...« Eine neue Schmerzenswelle ließ ihn verstummen. Sie küsste seine Hand, damit er nicht die Tränen in ihren Augen sähe. Ein leiser Druck seiner Finger. Sie verstand und führte seine Hand an ihre Lippen. Voller Dankbarkeit lächelte er sie an. »Versprich mir, alles zu tun, was ich dir jetzt sage«, flüsterte er. »Versprichst du mir das?« »Ja, mein Geliebter. Alles. Alles, was du willst.« »Ich möchte, dass du nach Antwerpen ziehst, zusammen mit Reyna und Brianda.«
    »Ach, Francisco ... Mach dir keine Sorgen um uns.«
    »Ihr müsst zu meinem Bruder gehen. Diogo hat ein großes Haus ... Er ... er soll dich heiraten und für euch sorgen.«
    Sie ließ seine Hand los und starrte ihn an. »Nein! Das ... das kann ich nicht!«
    »Doch, Gracia. Das Gesetz will es so. Und ... ich will es auch. Du hast ihn immer geliebt ... schon als Kind ...«
    »Ich liebe
dich,
Francisco, nur dich!
Du
bist mein Mann!« Wieder lächelte er, ganz schwach, und kaum merklich schüttelte er den Kopf.
    »Ich ... ich habe dein Gesicht gesehen, als ich dir den Brief vorlas ... Aus Rom ... Das Attentat ... Du hattest solche Angst.« Gracia wollte ihm widersprechen, ihm sagen, wie unrecht er hatte. Aber er lächelte immer noch, dieses qualvolle, schmerzliche Lächeln, die Augen sehnsüchtig auf sie gerichtet. »Ich ... ich habe noch einen Wunsch, Gracia.« »Was, Francisco?«
    »Ich will nicht hier begraben sein ... nicht in dieser Erde. Bring mich nach Tiberias, ins Heilige Land ... irgendwann ... Diogo wird dir helfen. Ich ... ich möchte zu meinen Vätern.« Gracia nickte. Noch im Tod wollte Francisco das Gesetz der Thora erfüllen.
    >Und Mose nahm die Gebeine Josephs mit, denn dieser hatte die Söhne Israels beschworen: Wenn Gott sich euer annimmt ...< Die Beisetzung im Heiligen Land würde von ihm alle Erdenschuld aufheben: die Taufe, zu der man ihn gezwungen hatte, das Leben in der Glaubensfremde, die Jahre und Jahrzehnte des Götzendiensts in katholischen Kirchen ...
    »Ja«, sagte Gracia, und Tränen quollen aus ihren Augen, »das verspreche ich dir. Du sollst den Frieden deiner Seele finden, im Heiligen Land.«
    »Danke«, flüsterte er. »Ich wusste, dass du mich verstehst ...« Immer flacher wurde sein Atem, kaum hatte er noch die Kraft zu sprechen. »Jetzt ... jetzt habe ich nur noch einen Wunsch. Den größten ... und wichtigsten ... von allen.« »Sag ihn mir, mein Geliebter. Was soll ich tun?« »Dein Vater ... er hat nach dem Priester geschickt. Padre Alfonso wird gleich da sein, mit der Letzten Ölung ... Aber ich ... ich will nicht ... Ich ... bin Jude ...«
    Gracia hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Soll ich Rabbi Soncino rufen?«
    »Nein, dafür ist es zu spät ... Wir müssen es anders machen. Wir ... wir müssen schneller sein als sie.« »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    Er versuchte sich aufzurichten, aber er schaffte es nicht. »Siehst du das Kissen?« Er deutete mit dem Kinn auf einen Stuhl am Fenster. »Bring es her zu mir ... bitte.«
    »Das Kissen?« Eine dunkle Ahnung beschlich sie, als sie aufstand. »Was willst du damit? Soll ich es dir unter den Nacken schieben?«
    Aus tiefen Höhlen sahen seine Augen zu ihr auf, ein einsam verlorenes Flehen.
    »Du weißt, worum ich dich bitte ...«
    »Nein«, sagte Gracia. »Das kann ich nicht! Das ... das kannst du nicht von mir verlangen!«
    »Doch ... du musst es tun, für mich ... es ist meine letzte Bitte ... Tu es, bevor der Priester kommt ...« Wieder stöhnte er auf, wie ein Tier.

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