Die Gottessucherin
den Halbmond errungen! Im Triumph zog der Kaiser nach Rom, um seinen Lohn einzufordern. Für die gewonnene Schlacht musste der Heilige Vater ihm einen Wunsch erfüllen, und als er aufgefordert wurde, sein Verlangen kundzutun, zögerte Karl keine Sekunde: Nichts begehre er in seiner christlichen Seele mehr als die Bewilligung der Inquisition für Portugal.
Damit war der Widerstand der Kurie gebrochen. Am 23. Mai 1535 erließ Papst Paul III. eine Bulle, mit der er die Einrichtung des Glaubensgerichts endgültig befahl und alle früheren Privilegien und pontifikalen Erlasse aufhob. Noch am selben Tag ernannte er den Bischof von Ceuta zum Großinquisitor von Portugal. Dieser ließ in seiner ersten Amtshandlung eine Liste sämtlicher Vergehen gegen den christlichen Glauben aushängen. Die Feier des Sabbats und der jüdischen Feste wurde darin ebenso als Ketzerei gebrandmarkt wie die Beschneidung von Knaben oder die Ausübung sonstiger Glaubensbräuche. Während unter den Conversos Panik ausbrach, erging zugleich von den Kanzeln der Kirchen ein Angebot an alle geheimen Juden des Landes: Wer innerhalb einer Frist von dreißig Tagen vor dem Inquisitor ein reuiges und vollständiges Bekenntnis seiner Vergehen ablege, dem werde Generalabsolution gewährt, verbunden mit dem Versprechen, als Christ für immer in Frieden unter der gütigen Herrschaft Dom Jonos leben zu dürfen. Wer hingegen in dieser Frist das Land verlassen wollte, musste sein ganzes Vermögen der Krone übereignen.
Es war José, das jüngste männliche Mitglied der Familie Mendes, der die entscheidende Frage stellte. »Was sollen wir tun? Fliehen oder bleiben?«
Gracia wusste keine Antwort - zu sehr war sie von den neuen Bestimmungen überrascht worden. Um sich zu beraten, hatte sie ihre Angehörigen zu sich gerufen.
»Ich denke, wir sollten das Angebot annehmen«, erklärte ihr Vater. »Es hat keinen Sinn, sich gegen das Schicksal aufzulehnen. Wir brauchen endlich eine Heimat. Eine Heimat und Frieden. Wir können nicht immer wieder davonlaufen.« »Aber dürfen wir uns darum von Gott abwenden?« Rabbi Soncino schüttelte den Kopf. »Der Abfall vom Glauben ist die größte Sünde, die ein Jude begehen kann.«
»Die Entbindung von den Gelübden befreit uns von unseren Glaubenspflichten. Es wird sich gar nicht viel ändern. In unseren Herzen werden wir Juden bleiben, genauso wie wir zu Jörn Kippur beten: Das ganze Jahr über können wir nicht die Gebote befolgen und müssen uns wie Christen verhalten, gegen unseren Willen. Doch wisset: Wir waren und sind Juden, durch und durch!« Rabbi Soncino wiegte den Kopf. »Können wir das wirklich - nur im Herzen Juden bleiben? Oder ist unser Bittgebet nicht vielmehr eine Lüge, mit der wir uns selbst und Gott betrügen?« Als niemand antwortete, fügte er mit einem Seufzer hinzu. »Sowenig das Gesetz von Menschen erlassen ist, sowenig kann es von Menschen aufgehoben werden. Nur Gott selbst kann darüber bestimmen.«
Gracia ahnte, was seine Worte bedeuteten. »Ihr wollt uns also verlassen?«, fragte sie.
»Ja«, bestätigte er. »Ich habe Verwandte in Venedig, mein Vater ist dort geboren. Von da ist es nicht weit bis Konstantinopel.« »Vor allem brennen in Venedig keine Scheiterhaufen«, ergänzte José. Auf seiner Oberlippe spross inzwischen ein Bart, und er sprach mit der Stimme eines Mannes.»Wir können den Christen nicht trauen. Sie haben schon so oft ihr Wort gebrochen. Zweihunderttausend Golddukaten haben sie uns abgepresst, für den Krieg gegen die Türken. Und jetzt, da der Kaiser mit unserem Geld Tunis erobert hat, bekommen wir zur Belohnung die Inquisition.«
»Dann bist du also auch dafür, das Land zu verlassen?«, fragte Gracia.
Trotz seiner Jugend war José inzwischen ihr wichtigster Mitstreiter im Kampf um den Erhalt der Firma Mendes. Seit Franciscos Tod vor zwei Jahren führte er fast alle Verhandlungen mit der Hofkanzlei, um die Versuche des Königs abzuwehren, sich Gracias Erbes zu bemächtigen.
»Ja, wir müssen auswandern«, erklärte er. »Wenn wir bleiben, werden sie uns alles nehmen, was wir besitzen. Wir können froh sein, wenn sie uns am Leben lassen. Es sei denn, Ihr tut, was der König will, und heiratet einen portugiesischen Christen.« »Du weißt, wie ich darüber denke«, antwortete sie. »Und du, Brianda?«, wandte sie sich an ihre Schwester. »Was meinst du?« »Mir ist es gleich, wo ich lebe«, sagte Brianda mit traurigem Lächeln. »Hauptsache, ich bin da, wo Tristan ist.
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