Die Gottessucherin
nicht, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. In spätestens vier Wochen wollten sie nach England aufbrechen, die erste Etappe ihrer Flucht nach Konstantinopel, und sie hatte sich ihrem Mann immer noch nicht offenbart. Mit seiner Einwilligung in die Flucht hatte Francisco den größten Beweis seiner Liebe erbracht, und wie vergalt sie es ihm? >Die Sünden des Menschen gegen Gott sühnt der Versöhnungstag, die Sünden gegen den Mitmenschen nur dann, wenn er diesen zuvor versöhnt hat ...<
Tief in ihrer Seele fürchtete sie, dass all das Elend, das sie heimgesucht hatte, eine Folge ihrer ungesühnten Verfehlung war. Doch ebenso groß wie ihre Angst vor weiterer Strafe war ihre Angst vor der Beichte. Wenn sie Francisco ihre Sünde gestehen würde, müsste sie ihm dann nicht auch bekennen, um welchen Preis der Dominikaner die Beweise vernichtet hatte? Wieder und wieder hatte sie sich gebadet und gewaschen, ihren Leib mit Wurzelbürsten traktiert, bis sich die Haut ihr vom Fleisch löste, um das Gefühl der Besudelung loszuwerden, das ihr wie ein unsichtbarer Makel anhaftete. Aber vergebens. Seit sie Cornelius Scheppering zu Willen gewesen war, fühlte sie sich so schmutzig und klebrig, als habe man ihren Körper in Zuckerwasser getaucht.
Die Stimme des Kapitäns riss sie aus ihren Gedanken. »Was haltet Ihr von meinem Vorschlag?« »Welchem Vorschlag?«
»Vor dem Abschluss wenigstens mit einem Deutschen oder Franzosen zu verhandeln. Die Ausländer zahlen bessere Preise als die portugiesischen Händler.«
»Gut, versucht es. Aber nur, wenn Ihr das Geschäft noch heute abschließen könnt. Ich habe meinem Mann versprochen ... Jose«, unterbrach sie sich, »ist das Schiff aus Bristol da?«
Ihr Neffe stand in der Tür, mit hochrotem Kopf und ganz außer Atem.
»Nein«, erwiderte er und schnappte nach Luft. »Aber ... aber es gibt Nachrichten! Aus Rom! Der Papst ... der Papst hat ...« Vor Atemnot konnte er kaum sprechen. »Jetzt sag schon - was hat der Papst?«
»Er ... er hat die Einsetzung der Inquisition verweigert!«
Jetzt war es Gracia, der es die Sprache verschlug. »Was sagst du da?«
José strahlte über das ganze Gesicht. »Ja, die Dominikaner können zur Hölle fahren!«
»Woher weißt du das? Wer hat das behauptet?« »Ein Kurier des Papstes, der eben mit der Speranza aus Rom eingetroffen ist, um dem König die Botschaft zu überbringen.« »Dann ist es also kein Gerücht? Bist du sicher?« »Ganz sicher! Ich habe den Kurier belauscht, wie er mit einem Dominikaner sprach. Der Papst hat eine Begnadigung erlassen, für alle heimlichen Juden. Sie können von der Inquisition nicht belangt werden, weil sie keine Christen sind. Nicht mal der König darf etwas anderes befehlen, oder er wird exkommuniziert. Der Dominikaner hatte Tränen in den Augen.« »Was für eine wunderbare Nachricht!«
Es war, als lächle der Haschern selbst ihr zu. War ihr Opfer doch nicht vergebens gewesen? Im Überschwang ihres Glücks drückte sie José an sich und gab ihm einen Kuss. Dann ließ sie ihn stehen, zusammen mit Dom Felipe, und eilte hinaus. »Wohin wollt Ihr?«, rief José.
Aber sie hörte ihn nicht mehr. Mit gerafften Röcken lief sie die Treppe hinunter, hinaus auf die Straße, wo vor dem Tor ihre Kutsche wartete. Sie konnte gar nicht schnell genug nach Hause kommen, um Francisco die Nachricht zu bringen. Als ihr Wagen die Stadt erreichte, quollen die Straßen über von Menschen, und es wurden mit jeder Minute mehr. Vor allem aus dem alten Judenviertel strömten ganze Heerscharen. Offenbar hatte die Nachricht den Weg von Beiern hierher schneller geschafft als ihre Kutsche. Wohin Gracia sah, überall waren strahlende Gesichter. Fremde fielen sich in die Arme, manche führten sogar Freudentänze auf. Sie hoffte, dass Francisco noch nichts erfahren hatte. Sie wollte es ihm selbst sagen, das Glück in seinen Augen sehen.
Die Rua Nova dos Mercadores war so verstopft, dass kein Weiterkommen möglich war. Gracia sprang aus dem Wagen, um die restliche Strecke zu Fuß zu laufen.
Als sie das Haus betrat, empfing sie eine merkwürdige Stille. Wie ausgestorben lag die dunkle Eingangshalle da. Waren alle draußen auf der Straße? Doch kaum hatte sie die Tür geschlossen, hörte sie trappelnde Schritte. »Mutter! Mutter!« Reyna kam aus der Küche gelaufen. »Mutter! Mutter! Ich habe solche Angst!« Brianda war ihr gefolgt und hielt sie zurück. »Was ist denn, mein Schatz? Weshalb hast du Angst?«, fragte Gracia. Und zu ihrer
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