Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
geschickt? Es gab nur eine Möglichkeit, darauf Antwort zu bekommen.
    »Papstrecht steht über Kaiserrecht«, erklärte Cornelius Scheppering. »Diesen Spieß, den Euer Bruder gegen uns gerichtet hat, können wir vielleicht umdrehen.«
    »Ihr sprecht in Rätseln.«
    »Zwei Schritte führen uns ans Ziel. Wir müssen die jüdische Geldquelle zum Versiegen bringen. Doch sobald Euer Bruder auf dem Trockenen sitzt, müssen wir ihm eine neue erschließen, damit er unserer Sache die Treue hält.«
    Die Regentin hob ihre dünnen Brauen. »Wie soll das geschehen?«
    »Für den ersten Schritt brauchen wir den Beweis, dass die Juden in Antwerpen gegen päpstliches Recht verstoßen. Das wird meine Aufgabe sein, und ich werde geduldig warten, bis Gott mir Gelegenheit gibt, sie zu erfüllen.« »Und der zweite Schritt?«
    Cornelius Scheppering konnte ein feines Lächeln nicht unterdrücken. »Ihr kennt das Gleichnis vom alten Wein in neuen Schläuchen? Ähnliches kann uns auch gelingen, wenn wir die versiegte Quelle wieder zum Sprudeln bringen können. Aber dafür brauche ich Eure Hilfe. Wie alt wart Ihr bei Eurer Hochzeit?«
    »Zehn Jahre. Warum?«
    »Die Tochter von Gracia Mendes ist bereits ein halbes Jahr älter.«
    Die Regentin erwiderte sein Lächeln. »Ihr meint, sie ist im heiratsfähigen Alter?«
    Cornelius Scheppering nickte. »Allerdings. Und Jan van der Meulen sucht eine Braut.«
    »Der Markgraf von Brügge? Ein frommer, glaubensfester Mann.«
    Cornelius Scheppering erhob sich, um sich zu verabschieden. Und erst in diesem Augenblick, als er sich vor der Regentin verbeugte, wurde er gewahr, dass er während der gesamten Unterredung kein einziges Mal den qualvollen Harndrang verspürt hatte. War das ein Zeichen?
     

8
     
    »Sie hat Dom Diogos Augen«, sagte Gracia. »Findest du?«, fragte Brianda.
    »Ganz bestimmt«, nickte Gracia. »Die Augen ihres Vaters. Ein gutes Zeichen.«
    Vor drei Tagen war Brianda mit dem Kind niedergekommen. Es war eine leichte Geburt gewesen, die Wehen hatten nur wenige Stunden gedauert. Jetzt lagen Mutter und Tochter im Wochenbett, und beiden ging es gut. Auch der Priester hatte bereits seines Amtes gewaltet, zur Wahrung des katholischen Scheins. Das Mädchen war nach seiner Patin auf den Namen Gracia getauft worden. In der Familie aber hieß sie nur La Chica - »die Kleine«.
    »Ich wollte, es wären nicht braune, sondern grüne Augen«, sagte Brianda.
    »Wie die Augen von Tristan da Costa?«
    Brianda nickte. »Ich liebe ihn noch immer. Bin ich darum eine schlechte Mutter?«
    Gracia wich dem Blick ihrer Schwester aus. Einen Tag vor der Geburt hatte sie Post von Tristan bekommen. Seine Frau war plötzlich an einem Fieber gestorben, auf der Reise von Lyon nach Venedig, wo er eine Niederlassung der Firma Mendes gründen sollte. Aber das konnte Gracia ihrer Schwester jetzt unmöglich sagen, nicht in diesem Augenblick.
    »Warum habe ich nur auf dich gehört?«, fragte Brianda.
    »Du musst Geduld haben«, sagte Gracia. »Die Zeit heilt alle Wunden.«
    »Das sagst du nur, um mich zu trösten. Aber es tut noch genauso weh wie am ersten Tag.« Brianda machte eine Pause, und als sie weitersprach, war ihre Stimme ganz leise. »Früher hatte ich immer geglaubt, das Leben wäre ein wunderbares Geschenk, ein einziger großer Gabentisch. Aber jetzt ...« Gracia musste schlucken. Brianda gab sich tapfer Mühe, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter zu spielen. Jeden Gast, der sie besuchte, empfing sie mit einem Lachen, aber ihre Augen blickten oft so verbittert wie auf dem Bild an der Wand über dem Bett, das Diogo von ihr im Brautkleid hatte malen lassen. Zwei Jahre war das her. Nachdem Diogo hatte einsehen müssen, dass Gracia nie wieder heiraten würde, willigte er in ihren Vorschlag ein, Brianda zur Frau zu nehmen, um den Zusammenhalt der Familie und der Firma Mendes zu sichern. Eine ganze Woche hatte die Hochzeit gedauert, das größte Fest, das in Antwerpen je gefeiert worden war, mit Dutzenden von Musikern und Gauklern, Spaßmachern und Feuerschluckern sowie Hunderten von Gästen. Doch Brianda war seitdem nicht mehr dieselbe wie früher. Nicht einmal die Mitgift hatte sie getröstet. Gracia drückte ihre Hand.
    »Jetzt hast du ein Kind«, sagte sie. »Ein schöneres Geschenk kann es für eine Frau gar nicht geben. Du wirst sehen, La Chica wird dir helfen. Genauso wie Reyna damals Francisco und mir geholfen hat ...« Es klopfte an der Tür. »Herein!« »Darf ich?«
    In der Tür stand ein Mann schwer

Weitere Kostenlose Bücher