Die Grabstein-Clique
des Duschvorhangs entlang.
Das wollte ihr nicht in den Sinn.
Die Nonne fror wieder.
Diesmal nicht vor Kälte, jetzt war es die Angst, die ihr dieses Gefühl vermittelte. Sie kroch in ihr hoch, sie war wie Gift, das ihren Körper ausfüllte, und Clara hörte sich selbst stöhnend atmen. Sie wagte es nicht, nach dem Vorhang zu fassen und ihn zur Seite zu zerren, aus Angst, daß ein Dämon den Weg in ihr Bad gefunden haben konnte, um ihr Leben zu zerstören.
Sie wollte ein Kreuzzeichen schlagen, selbst das schaffte sie nicht, denn ihre Arme waren auf einmal schwer wie Eisen.
Noch etwas anderes kam hinzu. Clara haßte das Kreuzzeichen. Sie wollte es nicht mehr, sie…
Die Schatten verschwanden. Noch einmal tanzten sie wie irre über den Vorhang, um sich einen Moment später endgültig aufzulösen. Scharf stieß die Nonne die Luft aus. Ihre Augen brannten, nicht, weil Schaum hineingedrungen wäre, es war einfach die Furcht, die dieses Gefühl verursachte.
Gleichzeitig begann das Jucken auf ihrem Körper, das der allmählich trocken gewordene Schaum hinterließ. Es zeigte ihr auch an, daß sie das Zeug so rasch wie möglich abspülen mußte, und Sekunden später rauschte wieder das Wasser auf sie herab.
Sie duschte länger als gewöhnlich, und als sie das Wasser abstellte, da verließ sie das Becken auch nicht sofort, sondern öffnete den Vorhang zunächst spaltbreit, um in das kleine Bad hineinzulugen. Niemand war da.
Kein Schatten, keine Gestalt – nichts. Sie war allein. Hoffnung kehrte zurück. Es konnte ja sein, daß sie sich alles das nur eingebildet hatte, aber überzeugt war sie davon nicht. Wie in Trance trocknete sich die Nonne ab.
Das große Badetuch ließ sie um den Körper geschlungen, als sie zurück in ihre ›Zelle‹ ging und die Nonnentracht überstreifte. Sie dachte dabei nicht, sie starrte nur gegen die helle Wand, aber dort tanzte der Schatten nicht.
Zuletzt setzte sie die Haube auf. Darauf legte sie immer besonderen Wert, die Haube mußte perfekt sitzen. Mit einer Klammer klemmte Clara sie an den Haaren fest.
Das alles erledigte sie an diesem Morgen ohne Freude, es war ihr plötzlich lästig, und sie stellte auf einmal sogar ihr gesamtes Leben in Frage.
Seltsam, darüber erschrak sie nicht einmal.
Zehn Minuten vor dem Beginn der Frühmesse war sie fertig. Ein schlichter Holzschrank beherbergte ihre persönlichen Dinge, unter anderem auch die Bibel und das Gesangbuch.
Von beiden Dingen ließ sie die Hände. Sie hatte es versucht, sie in die Hand zu nehmen, aber sie zuckte so etwas zurück, als hätte sie sich daran verbrannt.
Gütiger Himmel, was war nur los mit ihr?
Dann hörte sie draußen die Schritte, und sie wußte genau, was geschah. Gleich würde Helena anklopfen, damit sie gemeinsam den Weg zur Frühmesse gingen.
»Ja, ich komme gleich«, sagte Clara, als sie das Klopfen hörte. Sie riß sich zusammen und hoffte, daß ihrer Stimme nicht anzuhören war, in welch einem Zustand sie sich befand.
Keiner sollte etwas merken, keiner! Mit diesem Problem mußte sie allein fertigwerden.
Helena war jünger als Clara. Sie hatte ein frisches Gesicht mit einem noch mädchenhaften Zug. Ihre blauen Augen strahlten, sie lächelte mit blitzenden Zähnen. »Ist das nicht ein herrlicher Tag, Clara? Dafür kann man dem Herrgott nur danken.«
»Sicher.«
»Also ich freue mich darüber.« Die junge Nonne lief einige Schritte vor, und Clara folgte ihr langsam.
Mit zahlreichen anderen Schwestern betraten sie die Kapelle, wo der Betgottesdienst abgeheilten wurde. An diesem Morgen leitete ihn die Äbtissin.
Jede Schwester hatte ihren Platz. Clara saß in der ersten Reihe, also im Blickfeld der Äbtissin. Heute war ihr das überhaupt nicht recht, und sie fühlte sich überhaupt nicht wohl in der Kapelle.
Wenn sie kniete, stöhnte sie auf. Die Worte der Gebete bereiteten ihr fast körperliche Schmerzen. Die Wände der Kapelle waren für sie brutale Drohungen, die irgendwann auf sie zukamen, um sie mit ihrer gewaltigen Kraft zu zerdrücken.
Clara erlebte einen Horror wie nie zuvor. Der kalte Schweiß brach ihr aus, sie flüsterte einige Worte, die mit den Gebeten nichts zu tun hatten. Als sie kniete, hatte sie das Gefühl, als würden Nägel in ihre Knie getrieben.
Diese Frühmesse glich einer Folter.
Manchmal schwankte sie sogar, wurde von den neben ihr betenden Schwestern gehalten und auch gefragt, was sie hätte.
»Nichts«, flüsterte Clara. »Es ist nichts…« Sie wollte mit niemandem
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