Die Graefin Charny
gesättigter Löwe. Die Herzogin von Tarent, die Gräfin von Laroche-Aymon, Mademoiselle Pauline de Tourzel und noch eine andere Hofdame waren in den Tuilerien zurückgeblieben. Sie befanden sich im Schlafgemach der Königin.
Die Sieger traten, die noch rauchenden Gewehre in der Hand, in das Zimmer, hoch in der Luft schwenkten sie ihre blutigen Säbel.
Die Damen fielen auf die Knie nieder. Die Mörder hatten schon das Messer gezückt, als ein von Pétion geschickter Mann in der Tür rief: »Schonet die Weiber! Entehrt nicht die Nation!« Und man ließ ihnen das Leben.
Madame Campan und zwei andere Kammerfrauen entflohen über eine Seitentreppe. Ein Teil der Mörder eilte ihnen nach und holte sie bald ein.
Die beiden Kammerfrauen fielen auf die Knie, faßten die blutigen Säbelklingen und flehten die Mörder um Gnade.
Während Madame Campan fortlief, fühlte sie sich von hinten bei den Kleidern ergriffen und sah, gleich einem zuckenden Blitz, eine Säbelklinge über ihrem Haupte funkeln – als plötzlich unten auf der Treppe eine gebieterische Stimme rief: »Was macht Ihr da oben?«
»Was gibt's?« antwortete der Mörder.
»An Frauen vergreift man sich nicht! Hört Ihr wohl?« setzte die Stimme hinzu.
»Steh auf, du Metze!« sagte der Unhold, »die Nation schenkt dir das Leben.« Inzwischen bekam Ludwig XVI. Hunger und verlangte sein Diner. Man brachte ihm Brot, Wein, ein gebratenes Huhn, kalte Küche und Obst.
Der König zerbrach sein Brot und zerlegte sein Huhn wie auf einer Jagdpartie, ohne sich im mindesten um die auf ihn gerichteten Blicke zu kümmern.
Unter den Augen, die ihn ansahen, waren zwei, die glühten, weil sie nicht weinen konnten: die Augen der Königin.
Sie hatte alles von sich gewiesen, Verzweiflung war das einzige Gefühl, dessen sie noch fähig war.
Die Versammlung, in der Ludwig XVI. Schutz suchte, hätte selbst des Schutzes bedurft, und sie täuschte sich keineswegs über ihre Schwäche. Sie war von einer wütenden Volksmenge bedroht, die mit lautem Geschrei die Abdankung des Königs verlangte.
Eine Kommission trat zusammen.
Vergniaud entwarf die Urkunde, die das provisorische Aufhören der königlichen Gewalt verkündete. Düster und niedergeschlagen erschien er wieder in der Nationalversammlung.
»Meine Herren,« sagte er, »ich beantrage im Namen der außerordentlichen Kommission eine sehr strenge Maßregel, deren Annahme jedoch durch das Wohl des Vaterlandes dringend geboten wird. Sie werden, wie tief auch Ihr Schmerz sei, zur Ausführung derselben die Hand bieten.«
Die Nationalversammlung beschließt:
»Das französische Volk wird aufgefordert, einen Nationalkonvent zu bilden;
das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt wird provisorisch seiner Amtsverrichtung enthoben, und es wird noch im Laufe des Tages ein königlicher Prinz zum Gouverneur ernannt;
die Zahlung der Zivilliste wird eingestellt;
der König und die königliche Familie bleiben unter dem Schutze der gesetzgebenden Versammlung, bis die Ruhe in Paris wieder hergestellt sein wird;
das Departement wird den Luxemburgpalast zur Residenz des Königs und der königlichen Familie unter dem Schutze der Staatsbürger einrichten lassen.«
Ludwig XVI. hörte diesen Beschluß mit seiner gewohnten Gleichgültigkeit an; dann neigte er sich gegen Vergniaud und sagte zu ihm:
»Wissen Sie wohl, daß, diese Maßregel nicht ganz verfassungsmäßig ist?«
»Das ist wahr, Sire«, antwortete Vergniaud; »aber sie bietet das einzige Mittel, Ihr Leben zu retten; wenn wir das zeitweilige Aufhören der königlichen Gewalt nicht bewilligen, so nehmen die Aufständischen Ihren Kopf!«
Der König machte mit Mund und Schultern eine Bewegung, die bedeutete: Das ist möglich! und nahm seinen Platz wieder ein.
In diesem Augenblick schlug die über ihm befindliche Wanduhr. Ludwig XVI. zählte die Glockenschläge.
»Neun Uhr!« sagte er, als der letzte Schlag verhallt war.
Jetzt erschienen die Saalinspektoren, um den König und die Königin in die Wohnung zu führen, die zu ihrem vorläufigen Aufenthalt bestimmt worden war.
Der König winkte mit der Hand, er wünschte noch eine kleine Weile zu bleiben. Die Versammlung beschäftigte sich eben mit einer Angelegenheit, die nicht ohne Interesse für ihn war: – man ernannte ein Ministerium.
Die Minister des Krieges, des Innern und der Finanzen waren bereits ernannt; es waren die vom König entlassenen Minister Roland, Clavière und Servan. Danton wurde Justizminister, Monge Marineminister,
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