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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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schworen, den König bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen.
    In diesem Augenblick wurde der Schweizerhauptmann Durler im Namen der Nationalversammlung aufgefordert, die Waffen zu strecken.
    »Ich diene dem Könige und nicht der Nationalversammlung«, erwiderte der Schweizer; »wo ist der Befehl des Königs?«
    Man führte ihn fast mit Gewalt in die Reitschule.
    »Sire,« sagte der brave Kapitän, »man verlangt, daß ich die Waffen strecke. Ist es der Wille Eurer Majestät?«
    »Ja,« sagte der König, »übergeben Sie der Nationalgarde Ihre Waffen. Ich will nicht, daß brave Leute wie Sie ihr Blut vergießen.«
    Dies war der Befehl, den man in den Gängen und auf den Treppen der Tuilerien ausrief.
    Als durch diesen Befehl die Ruhe in der Versammlung einigermaßen wiederhergestellt war, rührte der Präsident die Glocke, um die Beratungen fortzusetzen. Aber ein Deputierter erhob sich und machte einen Artikel der Verfassung geltend, der jede Beratung in Gegenwart des Königs verbot.
    »Das ist wahr,« sagte Ludwig XVI., »aber wohin soll ich mich wenden?«
    »Sire,« sagte der Präsident, »wir haben Ihnen die Tribüne des Journal ›,Logographe‹ anzubieten; die Tribüne ist leer, weil das Journal nicht mehr erscheint.«
    »Es ist gut,« erwiderte der König, »wir sind bereit, uns dahin zu begeben.«
    Vergniaud befahl den Türstehern, den König zu führen. Ludwig XVI. ging nun mit der Königin und der königlichen Familie den Weg zurück, auf welchem er in den Sitzungssaal gekommen war. Man kam in den Korridor.
    »Was liegt denn hier auf der Erde?« fragte Marie Antoinette; »es scheint Blut zu sein.«
    Sonderbar! Diese Blutspuren wurden größer und häufiger, je näher man der Loge kam.
    Um der Königin diesen Anblick zu ersparen, ging Ludwig XVI. rasch fort und öffnete selbst die Tür der Loge.
    »Treten Sie ein, Madame«, sagte er zu der Königin.
    Marie Antoinette eilte voraus; aber als sie in die Tür trat, schrie sie laut auf vor Entsetzen, hielt die Hand vor die Augen und wandte sich ab.
    Die Blutspuren fanden nun ihre Erklärung: man hatte einen Toten in die Loge gebracht.
    »Siehe da!« sagte der König; »wahrhaftig, es ist der arme Graf von Charny!«
    Der Leichnam des Grafen wurde fortgetragen und die königliche Familie nahm Platz in der Loge. – Man wollte den Fußboden waschen, denn er war ganz mit Blut bedeckt; aber die Königin verbot es durch einen Wink und nahm zuerst Platz. Niemand bemerkte, daß sie ihre Schuhbänder zerriß und ihre bebenden Füße mit dem noch lauen Blut in Berührung brachte. O Charny! sagte sie in Gedanken; teurer Charny! Warum fließt mein Blut nicht hier bis auf den letzten Tropfen, um sich auf ewig mit dem deinen zu vermischen!
    Es schlug drei. –
    Die Tuilerien waren genommen.
    Wer hatte den Sieg errungen? – Der Grimm des Volkes, wird man antworten. – Jawohl, aber wer lenkte das ergrimmte Volk? Der Mann, der sich auf seinem kleinen Rappen neben dem kolossalen Santerre gar unbedeutend ausnahm: der Elsässer Westermann.
    Und wer ist der Vermittler gewesen zwischen ihm und der allmächtigen Hand Gottes? – Danton!
    Santerre und Danton waren an dem entscheidenden Tage kaum zu sehen. Westermann machte alles und war überall.
    Als sich die Nachricht verbreitete, der König habe das Schloß verlassen, versammelten sich die dreihundert Edelleute, die gekommen waren, um für den König zu sterben.
    Sie beschlossen, sich ebenfalls in die Nationalversammlung zu begeben, um dem König zur Seite zu stehen. Sie versammelten alle Schweizer, die aufzufinden waren, nebst etwa zwanzig Nationalgardisten und gingen, fünfhundert an der Zahl, die Treppe hinunter, um sich durch den Garten in die Reitschule zu begeben. Jedoch nur ein geringer Teil kam mit dem Leben davon, der weitaus größte Teil der todesmutigen Schar fand auf dem Schreckenswege einen grauenvollen Tod. Ihr Blut färbte die Straßen von Paris.
    Neunhundert ihrer Brüder lagen tot im Innern der Tuilerien.
     

47. Kapitel
     
    Das Volk war in die Tuilerien gedrungen wie in die Höhle eines wilden Tieres. Geschrei und Drohungen erfüllten das Schloß. In Abwesenheit derer, die unter lautem Rufen und Schreien in den Schränken, hinter den Tapeten, unter den Betten gesucht wurden, ließen die Sieger an andern Personen und an leblosen Dingen ihre Wut aus. Sie mordeten die Schloßdiener, zertrümmerten die Möbel und schlugen die Wände ein.
    Gleichwohl übte es mitten in diesem Gemetzel zuweilen Gnade wie ein

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