Die Graefin Charny
begeben wollte, stürzte in den Garten. Ein Mann, der diese Schar anzuführen schien, trug als Banner einen Kopf auf einer Pike.
Der Oberst ließ haltmachen und befahl seinen Leuten, sich bereit zu halten.
»Herr von Charny,« sagte die Königin, »versprechen Sie mir, mich zu töten, wenn Sie sehen, daß ich diesen Unholden nicht entgehen kann!«
»Das kann ich Ihnen nicht versprechen, Madame«, antwortete Charny.
»Warum nicht?«
»Weil der Weg zu Eurer Majestät nur über meine Leiche geht.«
»Das ist der Kopf des armen Maudat«, sagte der König, »ich erkenne ihn.«
Die Mörderbande wagte sich nicht näher, aber sie überhäufte den König und die Königin mit Schmähungen. Fünf bis sechs Schüsse fielen, ein Schweizer sank tot nieder, ein anderer wurde verwundet.
Der Oberst wollte Feuer geben, aber der Graf von Charny hielt ihn zurück.
»Sie haben recht«, erwiderte der Oberst, und der Zug setzte seinen Weg durch den Garten fort.
Vor der Reitschule wurde halt gemacht und ein Bote abgeschickt, um der Nationalversammlung zu melden, daß der König in ihrer Mitte Zuflucht suche.
Die Nationalversammlung schickte eine Deputation ab, allein das Erscheinen dieser Deputation verdoppelte die Wut der Menge. Man hörte nur das wilde, verworrene Geschrei: »Abdankung oder Tod!«
»Abdankung oder Tod!«
Ein Mann von kolossaler Gestalt, der unter allen am lautesten schrie, suchte mit seiner Pike bald den König, bald die Königin zu treffen. Das Wutgeschrei wurde immer heftiger. Die Schweizer waren nach und nach von der anstürmenden Menge auseinandergetrieben worden. Die königliche Familie hatte nur noch die sechs Edelleute, die mit ihr aus den Tuilerien gekommen waren, den Grafen von Charny und die Deputation der Nationalversammlung um sich. Man mußte noch mehr als dreißig Schritte durch eine dichtgedrängte Menge gehen, und es war offenbar, daß man dem König und zumal der Königin nach dem Leben trachtete.
Unten an der Treppe begann der Kampf.
»Herr Graf,« sagte Röderer zu Charny, »stecken Sie Ihren Degen ein, oder ich stehe für nichts.«
Charny gehorchte, ohne ein Wort zu sagen.
Die königliche Gruppe wurde von der wogenden Menge gegen die Nationalversammlung gedrängt wie eine Barke, die von den Wellen geschaukelt und fortgetrieben wird. Der König sah sich genötigt, einen Mann zurückzustoßen, der ihm die Faust vor das Gesicht hielt. Der kleine Dauphin, der fast erdrückt wurde, rief um Hilfe und streckte die Arme aus. Ein Mann stürzte auf ihn zu und entriß ihn seiner Mutter.
»Mein Sohn!« rief Marie Antoinette. »Herr von Charny, um Gottes willen! retten Sie meinen Sohn!«
Charny ging auf den Mann zu, der den Knaben forttrug, aber kaum hatte er sich von der Königin entfernt, so streckten sich zwei oder drei Arme nach ihr aus, und eine Hand faßte ihr Halstuch.
Marie Antoinette schrie laut auf. Charny vergaß die Mahnung Röderers, und sein Degen durchbohrte den Verwegenen, der Hand an die Königin gelegt hatte. Die Menge brüllte vor Wut, als sie einen der ihrigen fallen sah, und stürmte mit verdoppelter Gewalt auf die Gruppe los. Die Weiber schrien: »Stoßt sie doch nieder, die Österreicherin! Gebt uns Waffen, wenn ihr nicht den Mut habt!«
Zwanzig entblößte Arme kamen zum Vorschein, um sie zu fassen. Aber Marie Antoinette war außer sich vor Schmerz. »Mein Sohn! mein Sohn!« rief sie, ohne an ihre eigene Gefahr zu denken.
Inzwischen war man fast bis an die Schwelle des Sitzungssaales gekommen; die Menge machte noch einen letzten Versuch, aber sie merkte, daß diese Beute ihr entgehen würde. Charny war so im Gedränge, daß er nur noch mit dem Degengefäß um sich schlagen konnte. Unter den drohenden geballten Fäusten entdeckte er eine Hand, die eine Pistole hielt und die Königin suchte. Er ließ seinen Degen los, faßte die Pistole mit beiden Händen, entriß sie dem Meuchler und schoß den nächsten Gegner damit nieder.
Darauf bückte er sich, um seinen Degen aufzuheben; aber der Degen war schon in den Händen eines Meuterers, der ihn gegen die Königin zückte.
Charny stürzte auf den Meuchler los.
In diesem Augenblick trat die Königin unmittelbar nach Ludwig XVI. in den zum Sitzungssaale führenden Gang. Sie war gerettet.
Kaum hatte sie den Gang betreten, so wurde die Tür hinter ihr zugeschlagen. Charny konnte ihr nicht mehr folgen, er erhielt zugleich einen Schlag mit einer eisernen Stange auf den Kopf und einen Lanzenstich in die Brust.
»Wie meine
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