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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Lebrun Minister des Auswärtigen.
    Als sämtliche Minister ernannt waren, stand der König auf und verließ die Loge. Marie Antoinette folgte ihm; seit sie die Tuilerien verlassen, hatte sie weder Speise noch Trank, nicht einmal ein Glas Wasser zu sich genommen.
    Die mit Blut bedeckten, rauchenden, verödeten Tuilerien boten einen grauenvollen Anblick. Alle Bewohner des Schlosses waren fort, nur die Toten waren geblieben und drei bis vier Wachtposten, die das Königshaus gegen Raub und Plünderung schützten.
    Der Posten im Uhrpavillon, wo sich die große Treppe befindet, stand unter dem Befehl eines jungen Kapitäns der Nationalgarde, der die Greuel der Verwüstung mit tiefem Mitleid betrachtete und sich schaudernd abwandte, wenn ein mit Toten beladener Wagen vorüberfuhr.
    An eine Säule der Vorhalle gelehnt, sah er den langen stillen Zug der trauernden Mütter, Gattinnen und Schwestern vorüberziehen. In dem trüben Lichte der hier und da aufgesteckten Fackeln hätte man die ausgehungerten, zerlumpten Gestalten für Gespenster halten können, wenn man nicht von Zeit zu Zeit herzzerreißende Klagetöne und laute Verwünschungen gehört hätte.
    Plötzlich schrak der junge Kapitän beim Anblick einer halbverschleierten weiblichen Gestalt auf.
    »Die Gräfin von Charny!« flüsterte er.
    Die Gestalt ging weiter, ohne ihren Namen zu hören. Der junge Kapitän gab seinem Leutnant einen Wink.
    »Désiré,« sagte der Kapitän, »die arme Dame dort ist eine Bekannte des Herrn Gilbert; sie sucht wahrscheinlich ihren Mann unter den Toten. Ich muß ihr folgen, denn sie könnte eines Beistandes bedürfen. Ich lasse dir den Befehl des Postens; sei wachsam und tue deine Pflicht!«
    Ange Pitou hatte sich nicht geirrt: die arme Andrea suchte wirklich ihren Gemahl; aber sie suchte ihn nicht mit der qualvollen Ungewißheit des Zweifels, sondern mit der düstern Überzeugung der Verzweiflung.
    Als der Graf von Charny durch die Kunde von den jüngsten Ereignissen aus seinen schönen Träumen geweckt worden war, hatte er zu seiner Gemahlin gesagt: »Liebe Andrea, der König von Frankreich ist in Lebensgefahr und bedarf des Schutzes aller Getreuen; was soll ich tun?«
    Ohne Zögern hatte Andrea geantwortet:
    »Mein Olivier, deine Pflicht ruft dich nach Paris, um den König zu verteidigen und wenn es sein muß, für ihn zu sterben.«
    »Aber du?« hatte Charny gefragt.
    »Oh, um mich kümmere dich nicht. Ich habe nur für dich gelebt, und Gott wird mir gewiß erlauben, mit dir zu sterben!«
    In den Tuilerien machte es Andrea wie die andern Suchenden, sie nahm eine Fackel und betrachtete einen Toten nach dem andern.
    Pitou ging auf sie zu.
    »Ach!« sagte er, »ich vermute wohl, was Sie suchen, Frau Gräfin.«
    »Herr Pitou!« sagte Andrea. Sie trat vor ihn hin und faßte seine Hände.
    »Wissen Sie, was aus dem Grafen von Charny geworden ist?« fragte sie.
    »Nein, Madame«, antwortete Pitou; »aber ich kann Ihnen suchen helfen.«
    »Es gibt eine Person,« erwiderte Andrea, »die uns sagen könnte, ob er tot ist oder lebt, die Königin.«
    »Wissen Sie, wo die Königin ist?«
    »In der Nationalversammlung ... und ich habe noch die Hoffnung, daß der Graf bei ihr ist.«
    »O ja, ja«, erwiderte Pitou, der die Hoffnung keineswegs teilte, aber die unglückliche Witwe nicht enttäuschen mochte; »wollen Sie mit mir in die Nationalversammlung kommen?«
    Andrea hatte lange in den Tuilerien gewohnt und kannte daher das Innere des Schlosses genau. Sie ging auf einer kleinen Seitentreppe in den Zwischenstock und von da in die große Vorhalle hinunter, so daß Pitou zu seinem Posten zurückkam.
    Die Gräfin war fest überzeugt, daß sie nur in der Nationalversammlung das Schicksal ihres Gatten erfahren könne; die königliche Familie hatte aber schon vor einer Stunde die Nationalversammlung verlassen und sich in ihre Wohnung begeben; man mußte also zum Luxemburgpalast.
    Aus Achtung vor ihrem tiefen Schmerz hatte man Marie Antoinette in den ersten Augenblicken allein gelassen. Endlich hörte sie die Tür aufgehen und sich wieder schließen, aber sie sah sich nicht um. Sie hörte Fußtritte auf ihr Bett zukommen, aber ihr in Tränen gebadetes Gesicht erhob sich nicht von dem Kopfkissen.
    Aber plötzlich fuhr sie auf, als wäre sie von einer Schlange gebissen worden: eine wohlbekannte Stimme hatte ein einziges Wort gesprochen:
    »Madame! ...«
    »Andrea!« rief Marie Antoinette, sich aufrichtend und auf den Ellbogen stützend. »Was wollen Sie von

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