Die Graefin Charny
bestanden diese?«
»Nach dem ersten, Sire, sollte er sich als Bauer verkleiden. Die Gräfin Chapska, eine Deutsche von Geburt, wollte sich als Bäuerin verkleiden und ihn für ihren Freund ausgeben ...«
»Und der zweite Plan?« sagte Ludwig XVI.
»Dem zweiten Plan zufolge sollte der König Stanislaus mit tausend Mann aufbrechen und sich durchzuschlagen suchen; nach dem dritten Plan, den Stanislaus annahm, sollte er sich als Bauer verkleidet aus Danzig entfernen, aber nicht in weiblicher Begleitung, die ihm auf der Flucht hinderlich sein konnte; dieser dritte Plan wurde von französischen Gesandten Monti vorgeschlagen und von meinem Verwandten, dem General Steinflicht, unterstützt.«
»Und dieser Plan wurde angenommen?«
»Ja, Sire; und wenn ein Monarch, der sich in der Lage des Königs von Polen befindet oder zu befinden glaubt, den gleichen Entschluß faßte und mich mit demselben Vertrauen beehrte, das Ihr erlauchter Ahnherr dem General Steinflicht schenkte, so würde ich ihm mit meinem Kopfe für das Gelingen bürgen, zumal wenn die Wege so frei wären wie in Frankreich, und der Monarch ein so guter Reiter wie Eure Majestät.«
»Allerdings«, sagte die Königin. »Aber in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober hat mir der König das feierliche Versprechen gegeben, nie ohne mich abzureisen ... Der König hat sein Wort gegeben, Herr Marquis, und er wird es halten.«
»Das macht die Reise freilich schwieriger, aber nicht unmöglich,« erwiderte Favras, »und wenn ich die Ehre hätte, ein solches Unternehmen zu leiten, so würde ich dafür bürgen, Ihre Majestät und die königliche Familie wohlbehalten nach Montmédy oder Brüssel zu führen, so wie der General Steinflicht den König Stanislaus wohlbehalten nach Marienwerder brachte.«
»Hören Sie wohl, Sire?« sagte die Königin. »Ich glaube, mit einem Manne wie Herr von Favras sei nichts zu fürchten.«
»Ja, Madame,« antwortete der König, »das ist auch meine Meinung; aber der Augenblick ist noch nicht gekommen ...«
»Gut, Sire,« entgegnete die Königin, »warten Sie nur, wie der getan, dessen Porträt uns ansieht, und dessen Anblick – wie ich wenigstens glaubte – Ihnen einen besseren Rat hätte geben sollen ... Warten Sie nur, bis Sie zu einer Schlacht gezwungen werden ... warten Sie nur, bis diese Schlacht verloren ist! Warten Sie, bis Sie im Kerker sitzen, und das Blutgerüst unter Ihrem Fenster gezimmert wird! ... Heute sagen Sie: »Es ist zu früh!« dann aber werden Sie sagen müssen: »Es ist zu spät!«
»Auf jeden Fall, Sire, bin ich zu jeder Stunde und auf den ersten Wink bereit«, sagte Favras, sich verneigend.
»Es ist gut«, sagte der König zu dem Marquis, der damit verabschiedet war, wie gern er auch, durch die Königin ermutigt, noch dringender gemahnt hätte.
Die Königin schaute ihm nach, bis sich der Türvorhang hinter ihm geschlossen hatte.
»Ach! Sire,« sagte sie, die Hand nach dem Gemälde van Dycks ausstreckend, »als ich dieses Bild in Ihrem Zimmer aufhängen ließ, glaubte ich, daß es Ihnen besseren Rat geben würde.«
Sie stand rasch auf, als hätte sie es unter ihrer Würde gehalten, das Gespräch fortzusetzen, und ging auf die Tür des Alkovens zu; dann stand sie plötzlich still.
»Gestehen Sie nur, Sire,« sagte sie, »daß der Marquis von Favras nicht der erste ist, den Sie heute empfangen haben.«
»Nein, Madame, Sie haben recht; vor dem Marquis von Favias war der Doktor Gilbert hier.«
»Ich ahnte es wohl«, sagte sie. »Und wie es scheint, ist der Doktor Gilbert ...«
»Meiner Meinung, Madame; er sagt, daß wir Paris, daß wir Frankreich nicht verlassen dürfen.«
»Aber wenn er der Meinung ist, daß wir bleiben müssen, so gibt er gewiß auch einen Rat, der uns den Aufenthalt möglich macht?«
»Jawohl, er gibt einen Rat, er meint, wir sollen Mirabeau auf ein Jahr kaufen.«
»Und zu welchem Preise?«
»Mit sechs Millionen ... und einem Lächeln von Ihnen.«
Die Gesichtszüge der Königin nahmen einen sehr nachdenklichen Ausdruck an. »Im Grunde«, sagte sie, »wäre es vielleicht ein Mittel ...«
»Jawohl, aber ein Mittel, dem Sie Ihre Zustimmung versagen würden, nicht wahr, Madame?«
»Ich antworte weder ja noch nein, Sire«, sagte die Königin; »ich muß es mir überlegen ...«
Sie entfernte sich, und im Fortgehen setzte sie leise hinzu:
»Und ich werde es mir überlegen.«
7. Kapitel
Der König war jetzt allein; einen Augenblick blieb er regungslos stehen. Endlich ging er auf
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