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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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wird Sie auf seiner Durchreise fragen, ob es Ihr Wunsch ist, daß ich mehr für Sie tue. In diesem Falle würde es mich sehr freuen, Ihnen angenehm zu sein, so wie ich diese Gelegenheit ergreife, Sie meiner vollkommensten Hochachtung zu versichern.
    Ludwig.«
     
    »Jetzt gehen Sie, lieber Graf«, sagte der König. Er reichte ihm noch einmal die Hand, die der Graf ehrfurchtsvoll küßte.
    Vor seiner Wohnung erwartete Charny der Kammerdiener der Königin, Weber. Die Königin wolle ihn sprechen und wünsche ihn auf der Stelle zu sehen.
    Der Wunsch der Königin war für ihn Befehl, er konnte sich ihm nicht entziehen.
    Charny gab seinem Bedienten einige Befehle in bezug auf die Abreise und folgte dem Kammerdiener auf dem Fuße.
    So wie er war, in der vollen Uniform eines diensttuenden Offiziers, trat er in das Zimmer der Königin.
    Charny verneigte sich und blieb fast auf der Türschwelle stehen.
    »Treten Sie näher, Herr Graf, wir sind allein«, sagte Marie Antoinette.
    Charny trat näher, dann erwiderte er mit sanfter, aber zugleich so fester Stimme, daß nicht die mindeste Unschlüssigkeit darin zu erkennen war:
    »Ich stehe Eurer Majestät zu Befehl.«
    »Graf,« fuhr die Königin sehr freundlich fort, »haben Sie nicht gehört, was ich zu Ihnen sagte? Wir sind allein.«
    »Jawohl, Majestät«, antwortete Charny; »aber ich sehe nicht ein, inwiefern dieses Alleinsein das Verhalten eines Untertanen gegen seine Fürstin ändern kann.«
    »Als ich Sie rufen ließ und von Weber erfuhr, daß Sie ihm auf dem Fuße folgten, glaubte ich, ein Freund begebe sich zu seiner Freundin.«
    Ein bitteres Lächeln spielte um den Mund des Grafen.
    »Ja, Graf,« setzte die Königin hinzu, »ich verstehe dieses Lächeln und weiß, was Sie denken. Sie sagen zu sich selbst, ich sei in Versailles ungerecht gewesen, und in Paris sei ich launenhaft.«
    Sie reichte ihm ihre weiße, zarte, vollkommen schöne Hand.
    Charny faßte die königliche Hand, drückte einen ehrerbietigen Kuß darauf und wollte sie wieder loslassen, aber Marie Antoinette hielt sie fest.
    »Ich gestehe,« sagte sie, »ich bin ungerecht gegen Sie gewesen, lieber Graf ... Ihr Bruder fiel für mich; ich hätte ihn mit Ihnen beweinen sollen ... Aber in diesen zehn Tagen der Einsamkeit habe ich meine Schuld abgetragen, ich habe ihn beweint ... Sehen Sie, lieber Graf, ich weine noch.«
    »Ich versichere Eurer Majestät,« sagte er, »daß ich sehr dankbar bin für die Tränen, die Sie meinem Bruder nachweinen ... Leider habe ich kaum Zeit, Ihnen meinen Dank auszudrücken ...«
    »Wieso, was meinen Sie?« fragte Marie Antoinette erstaunt. »Sie reisen ab?«
    »Um mich eines Auftrages zu entledigen, den mir der König zu erteilen geruhte.«
    »Und Sie verlassen Paris?« fragte die Königin mit Bangigkeit.
    »Ja, ich verlasse Paris.«
    Die Königin mußte ihre Bewegung gewaltsam bekämpfen.
    »Und Sie reisen ... allein?« fragte sie.
    »Ja, Madame, allein!«
    Marie Antoinette atmete erleichtert auf.
    »Wohin gehen Sie denn?« fragte sie weiter.
    »Ich weiß, daß der König kein Geheimnis vor Eurer Majestät hat«, antwortete Charny ehrerbietig; »geruhen Sie daher, Ihren erlauchten Gemahl zu befragen; ich zweifle keinen Augenblick, daß Seine Majestät Ihnen alles sagen wird.«
    Marie Antoinette sah Charny erstaunt an.
    »Aber warum soll ich den König fragen, wenn ich es von Ihnen erfahren kann?« sagte sie.
    »Weil das Geheimnis, das mir anvertraut ist, dem König, und nicht mir gehört.«
    »Es ist gut, Herr Graf. Gehen Sie ...«
    Charny verneigte sich noch einmal und ging festen Schrittes der Tür zu. Aber in dem Augenblick, als er die Hand an den Türknopf legte, breitete Marie Antoinette die Arme nach ihm aus und rief:
    »Charny!«
    Der Graf sah sich betroffen um.
    »Charny, kommen Sie hierher!«
    Der Graf trat zögernd näher.
    »Kommen Sie näher ... noch näher«, fuhr die Königin fort. »Sehen Sie mich an ... Sie lieben mich nicht mehr, nicht wahr?«
    Charny fühlte einen eiskalten Schauer durch seine Adern rieseln; er glaubte einen Augenblick, die Besinnung zu verlieren.
    Es war das erstemal, daß sich die stolze Fürstin vor ihm beugte.
    In jedem andern Moment würde er ihr zu Füßen gefallen sein und sie um Verzeihung gebeten haben; aber die Erinnerung an seine Unterredung mit dem König hielt ihn zurück.
    »Es ist gut, Graf,« sagte Marie Antoinette, »Sie sind frei ... gehen Sie.«
    Einen Augenblick wurde Charny von dem unwiderstehlichen Verlangen ergriffen,

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