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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Leute dort in den Tälern hatten ein tiefsitzendes Bewußtsein davon, daß es jenseits der Schattengrenze Mächte gab, die darauf warteten, dieses Land zurückzuerobern. Und sie waren wild entschlossen, das zu verhindern.
    Ein Vorbote des Konnetabel Brone trabte jetzt über den Appellplatz. Vansen ließ die Männer Haltung annehmen. Die Pferde scharrten unruhig mit den Hufen, und der Esel fraß das dürre Gras zwischen den Pflastersteinen. Es war längst hellichter Tag, aber ihnen blieb nichts als zu warten. Der lange Schatten des Wolfszahnturms schrumpfte bereits.
    Endlich kam sie, eine schlanke Gestalt in Trauerschwarz, begleitet von zwei Dienerinnen und dem massigen Konnetabel, der, wenn er schon nicht König wurde, eine Art Vaterrolle für den Prinzen und die Prinzessin zu übernehmen und trotz seiner vergleichsweise niedrigen Stellung in allen Angelegenheiten des Hauses Eddon so etwas wie eine zeremonielle Oberaufsicht zu beanspruchen schien. Aber er war ja auch reich, mit riesigen Ländereien, und immerhin so tüchtig, daß er es in der Gunst der Königsfamilie weiter gebracht hatte als irgendeiner ihrer engeren Verwandten. Vansen fragte sich, ob es nicht vielleicht doch vor allem das war, was den jungen Gailon von Gronefeld in das Herzogtum seiner Familie zurückgetrieben hatte — das Wissen, daß Brone die Zugangswege zu den königlichen Zwillingen abgeschnitten hatte und daß ihm, Gailon, trotz seiner größeren Blutsrechte wesentlich weniger Einfluß blieb.
    Ferras Vansen konnte sich nicht lange mit solch abstrakten Fragen beschäftigen, da die Prinzessin jetzt nahte. Die letzten Wochen hatten sie mitgenommen — sie hatte sich seit der Beisetzung nicht mehr schminken lassen, und an den blauen Schatten unter ihren Augen konnte er sehen, daß sie nicht gut geschlafen hatte. Aber trotzdem, trotz des kalten Blicks, den sie auf ihn richtete, konnte er sich kein anderes Gesicht vorstellen, das ihn so fühlen lassen würde, wie er bei ihrem Anblick unrettbar fühlte.
    Vielleicht ist es ja wirklich so, wie die Alten sagen,
dachte er. Vielleicht war ein Herz ja wirklich wie ein Stück trockenes Birkenholz und konnte nur einmal entflammen und richtig hell lodern — und jedes Feuer, was danach käme, würde nur ein Glühen sein, kleiner und weniger heiß.
Mein Pech, daß ich für sie entflammt bin, für eine, die ich niemals kriegen kann, weder auf ehrbare noch auf andere Weise, und die mich ohnehin haßt.
    »Hauptmann Vansen«, sagte sie trocken und bestimmt, »mein Bruder ruht, schickt aber seine Wünsche, daß die Götter Eure Mission befördern mögen.« Vansen war ein wenig überrascht, keine Verachtung in ihrem Gesicht zu sehen: Es war das erste Mal seit Kendrick Eddons Tod, daß etwas anderes in ihren Zügen lag, während sie ihn ansah. Das Problem war nur, daß er nicht entziffern konnte, was es war, vielleicht ja nur Müdigkeit und Desinteresse. »Ich sehe, Eure Männer sind bereit.«
    »Ja, Hoheit. Ich bitte um Verzeihung, aber seid Ihr sicher, daß wir so offen am hellichten Tag losreiten sollen? Da werden die Leute doch munkeln.«
    »Sie munkeln sowieso schon alle. Mit wie vielen Leuten hat dieser Beck geredet, ehe er auf die Burg gebracht wurde? Meint Ihr, es gibt irgend jemanden im Hafen- oder im Drei-Götter-Viertel, der die Geschichte noch nicht gehört hat? Ihr und Eure Männer werdet die Marktstraße entlangreiten, über den Dammweg und mitten durch Südmarkstadt. Alle werden wissen, daß die Eddons nicht so von Kummer und Angst gelähmt sind, daß sie ausgeraubte Handelszüge und entführte Edelfräulein einfach ignorieren.« Sie sah Brone an, der zustimmend nickte. »Und das ist nicht nur Schau, Vansen. Wir nehmen es nicht auf die leichte Schulter, mein Bruder und ich. Ich vertraue also darauf, daß Ihr jeden vertrauenswürdigen Reisenden, den Ihr trefft, benutzen werdet, um uns von Euren Fortschritten in Kenntnis zu setzen.«
    »Ja, Eure Hoheit. Die Mönche der Universität haben einen Postdienst, der alle vierzehn Tage auf der Settländerstraße verkehrt, und es dauert noch lange, bis ihn der Winter davon abhalten wird. Ich werde Euch und Konnetabel Brone auf dem laufenden halten, aber ich hoffe aufrichtig, daß ich nicht so lange fort sein werde.«
    »Ihr werdet erst zurückkehren, wenn Ihr Antworten für uns habt«, erklärte sie, und ihre Stimme war jetzt plötzlich wie eine knallende Peitschenschnur.
    »Natürlich, Eure Hoheit.« Er war gekränkt, aber in diesem Moment sah er nicht nur

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