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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihm vielleicht ein Krümel entgangen war, und sah Opalia einfach nur an.
    »Stumm, wie's aussieht«, sagte Chert. »Oder jedenfalls spricht er nicht unsere ...«
    »Wo ist das hier?« fragte der Junge.
    »Wie ... wo ... was meinst du?« fragte Chert verdutzt.
    »Wo ist das hier ...?« Der Junge deutete mit einer ausholenden Handbewegung auf die Bäume, den grasbewachsenen Hang, den nebelverhangenen Wald. »Das ... alles hier. Wo sind wir?« Er klang älter, als er war, aber auch jünger, so als wäre das Sprechen für ihn etwas Neues.
    »Wir sind am Rand von Südmark — Schattenmark, wie es auch genannt wird, wegen der Schattengrenze da.« Chert deutete auf die Nebelbarriere, drehte sich dann um und zeigte in die Gegenrichtung. »Die Burg ist dort drüben.«
    »Schatten ... grenze?« Der Junge sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Burg?«
    »Er braucht noch mehr zu essen.« Opalias Ton klang nach einer unumstößlichen Entscheidung. »Und Schlaf. Du siehst doch, er fällt fast um.«
    »Und was heißt das?« Aber Chert ahnte schon, was es hieß, und es behagte ihm gar nicht.
    »Das heißt natürlich, wir nehmen ihn mit nach Hause.« Opalia stand auf und klopfte sich Gras vom Kleid. »Und geben ihm was zu essen.«
    »Aber ... aber er gehört doch sicher jemandem! Einer der Großwüchsigenfamilien.«
    »Und die haben ihn in einen Sack gesteckt und hier hingeworfen?« Opalia lachte verächtlich. »Dann warten sie ja wohl nicht gerade sehnlich darauf, daß er zurückkommt.«
    »Aber er ist ... er kommt doch ...« Chert sah zu dem Knaben hinüber, der an seinen Fingern saugte und die Landschaft studierte. Er senkte die Stimme. »Er ist doch von
drüben
gekommen.«
    »Jetzt ist er hier«, sagte Opalia. »Guck ihn doch an — meinst du wirklich, er ist irgendein Unhold? Er ist ein kleiner Junge, der sich ins Zwielichtland verirrt hat und den sie wieder rausgeworfen haben. Wir beide sollten doch am besten wissen, daß nicht alles, was mit der Schattengrenze zu tun hat, von Übel sein muß. Willst du vielleicht die Edelsteine, die du hier gefunden hast, auch wieder rüberwerfen? Nein, er kommt sicher aus einem anderen Dorf in der Nähe der Grenze — irgendwo ganz weit weg! Sollen wir ihn vielleicht hier verhungern lassen?« Sie patschte sich auf den Oberschenkel, lockte dann mit dem Zeigefinger. »Komm mit uns, Kleiner. Wir nehmen dich mit nach Hause und geben dir was Ordentliches zu essen.«
    Ehe Chert weitere Einwände erheben konnte, war Opalia schon losgestapft, in Richtung der fernen Burg. Der Saum ihres alten Kleids schleifte durchs nasse Gras. Der Junge warf Chert einen Blick zu, den der kleine Mann zunächst für drohend hielt, der aber, wie er dann befand, auch nur eine Mischung aus Angst und trotziger Großspurigkeit sein mochte, und marschierte dann hinter Opalia her.
    »Das bringt nichts Gutes«, sagte Chert, aber nur leise, weil ihn langjährige Erfahrung gelehrt hatte, hinzunehmen, was immer ihm die Götter schickten. Immer noch besser zürnende Götter als eine zürnende Opalia. Mit den Göttern brauchte er kein enges Häuschen zu teilen, die hatten ihre eigenen weiten, unsichtbaren Hallen. Seufzend trottete er hinter seiner Frau und dem Jungen her.

    Der Lindwurm war jetzt in einem anderen Gehölz gestellt worden, einem Wäldchen von dichtstehenden Ebereschen mit einem Teppich aus hohem Farnkraut. Durch den Ring der Hunde, die jetzt vor Erregung zitterten, aber dennoch — vielleicht durch den ungewöhnlichen Geruch oder die seltsamen schlangenartigen Bewegungen dieses Wilds eingeschüchtert — vorsichtigen Abstand hielten, konnte Briony sehen, wie lang dieses Etwas war, das rastlos von einer Seite des Wäldchens zur anderen glitt. Seine hellen Schuppen glommen im Schattendunkel wie ein Buschfeuer.
    »Feige Viecher, diese Hunde«, sagte Barrick. »Fünfzig gegen einen, und sie trauen sich trotzdem nicht anzugreifen.«
    »Sie sind nicht feige!« Briony widerstand dem Impuls, ihn vom Pferd zu schubsen. Er wirkte jetzt noch blasser und erschöpfter und hielt den linken Arm unterm Mantel, wie um ihn vor Kälte zu schützen, obwohl die Nachmittagsluft immer noch sonnenwarm war. »Es ist nur der fremde Geruch!«
    Barrick runzelte die Stirn. »In letzter Zeit kommen zu viele Wesen über die Schattengrenze. Im Frühjahr erst diese Vögel mit den Eisenschnäbeln, die einen Schäfer in Landsend getötet haben. Und dann der tote Riese in Daler's Troth ...«
    Die Kreatur im Gehölz richtete sich auf und fauchte

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