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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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jüngsten und unerfahrensten Soldaten. Hier hat sich so lange nichts verändert, daß schon gar niemand mehr glaubt, es
könnte
sich was verändern.« Er schüttelte den Kopf, alarmiert durch ein kaum hörbares Geräusch, ein Beben in der Luft. Ferner Donner? »Ich kann es ja selbst kaum glauben, und ich wandere seit Jahren in diesen Hügeln herum.« Das ferne Grollen wurde immer lauter, und schließlich begriff Chert, daß es kein Donner war. »Felsriß und Firstenbruch!« fluchte er. »Das sind Pferde. Sie kommen auf uns zu!«
    »Die Jagd?« fragte sie. In dem nebelfeuchten Gras und den dichtstehenden Bäumen schien sich so ziemlich alles verbergen zu können. »Du hast doch gesagt, heute ist eine Jagd im Gang.«
    »Es kommt nicht aus der Richtung — und sie würden sich nie so weit hierher wagen, so nah an die ...« Sein Herz stolperte. »Götter der rohen Erde — es kommt aus dem Schattenland!«
    Er packte seine Frau an der Hand und zerrte sie über den Hang, weg von der Nebelgrenze. Ihre kurzen Beine mühten sich verzweifelt, aber sie rutschten immer wieder auf dem nassen Gras aus, während sie den schützenden Bäumen entgegenstrebten. Der Hufdonner war jetzt unglaublich laut, als wären die Pferde unmittelbar über den stolpernden Funderlingen.
    Chert und Opalia erreichten das Wäldchen und warfen sich ins stachlige Unterholz. Chert preßte seine Frau zu Boden und spähte hinaus auf den Hang, wo jetzt vier Reiter aus dem Nebel auftauchten und ihre stampfenden Schimmel zügelten. Die Tiere, groß und mager und irgendwie anders als alle Pferde, die Chert je gesehen hatte, blinzelten, als seien sie nicht einmal so gedämpftes Sonnenlicht gewohnt. Die Reiter trugen Kapuzenmäntel, die auf den ersten Blick dunkelgrau oder gar schwarz schienen, tatsächlich aber schillerten wie ölige Pfützen. Die Gesichter konnte Chert daher nicht sehen, aber die Männer schienen ebenfalls über die Helligkeit hier draußen erschrocken. Eine Nebelzunge wand sich um die Fesseln der Pferde, als wollte das Schattenland sie nicht gänzlich gehen lassen.
    Einer der Reiter drehte sich langsam zu den Bäumen hin, wo die beiden Funderlinge am Boden lagen. Nur das Funkeln des Augenpaars in der dunklen Tiefe der Kapuze zeigte an, daß diese nicht leer war. Einen ewig scheinenden Augenblick starrte der Reiter einfach nur herüber, oder vielleicht lauschte er auch, und obwohl ihm jede Faser seines Körpers befahl, aufzuspringen und davonzurennen, blieb Chert so still liegen, wie er irgend konnte, und umklammerte Opalia so fest, daß er fühlte, wie sie stumm gegen seinen schmerzhaften Griff ankämpfte.
    Endlich wandte sich die vermummte Gestalt wieder ab. Einer der anderen Reiter hievte etwas hinter sich vom Sattel und ließ es zu Boden fallen. Die Reiter verharrten noch einen Moment und blickten über das Tal auf die fernen Türme der Südmarksfeste, warfen dann lautlos ihre geisterhaft weißen Pferde herum und verschwanden wieder in der schwadigen Nebelwand.
    Chert wartete noch ein Dutzend hämmernde Herzschläge lang, ehe er seine Frau losließ.
    »Du hast mir die Innereien zerquetscht, du alter Narr«, stöhnte sie und stemmte sich auf Hände und Knie empor. »Wer war das? Ich konnte nichts sehen.«
    »Ich ... ich weiß nicht.« Es war alles so schnell gegangen, daß es ihm beinah wie ein Traum vorkam. Er stand auf, fühlte, wie all seine Gelenke von der blinden Flucht schmerzhaft zu pochen begannen. »Sie sind einfach nur rausgekommen und dann wieder umgekehrt und zurückgeritten ...« Er hielt inne und starrte auf das dunkle Bündel, das die Reiter abgeworfen hatten. Es bewegte sich.
    »Chert, wo willst du hin?«
    Er hatte natürlich nicht vor, es anzufassen — kein Funderling war so dumm, etwas aufzusammeln, was selbst die jenseits der Schattengrenze nicht haben wollten. Im Näherkommen merkte er, daß aus dem großen Sack leise, ängstliche Laute drangen.
    »Da ist was drin«, rief er Opalia zu.
    »In allem möglichen ist was drin«, sagte sie und stapfte grimmig auf ihn zu. »Nur nicht in deinem Schädel. Laß das bloß liegen und komm hier weg. Da kann nichts Gutes rauskommen.«
    »Es ... es ist lebendig.« Ihm kam ein Gedanke. Das war bestimmt ein Elbe oder irgendein anderes Zauberwesen, das sie aus dem Land jenseits der Schattengrenze verbannt hatten. Elben erfüllten Wünsche, so hieß es in den alten Märchen. Und wenn er den Elben befreite, hätte er dann nicht auch ein paar Wünsche frei? Einen neuen Schal ...? Opalia

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