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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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laut. Die Hunde stoben jaulend und kläffend davon, und mehrere Jagdpagen schrien erschrocken auf und zogen sich schleunigst von dem Gehölz zurück. Briony sah auch jetzt nur Teile des Biests, das sich zwischen den grauen Ebereschenstämmen durchs Unterholz wand. Es schien einen schmalen Kopf zu haben, ein bißchen wie ein Seepferdchen, und als es wieder fauchte, sah sie einen Moment lang ein Maul voller stachelspitzer Zähne.
    Es wirkt fast, als hätte es Angst,
dachte sie, aber das war ausgeschlossen. Es war ein Untier, ein Ungeheuer: da konnte nichts anderes in seinem dumpfen Hirn sein als Bosheit.
    »Genug jetzt!« rief Kendrick, der sein verängstigtes Pferd eisern am Rand des Gehölzes hielt. »Meinen Speer!«
    Sein Knappe lief zu ihm, bleich vor Angst, und guckte überallhin, nur nicht auf das fauchende Wesen wenige Schritte von ihm. Der Jüngling, einer von Tyne Aldritchs Söhnen, hatte es so eilig, die Saufeder loszuwerden und sich wieder zurückzuziehen, daß er den langen, goldverzierten Schaft mit der Parierstange und der schweren Eisenspitze beinahe fallen ließ, als der Prinz danach griff. Kendrick fing den Speer gerade noch und trat erbost nach dem flüchtenden Jüngling.
    Auch andere Edelleute riefen nach ihren Speeren. Jetzt, da der blutige Teil der Jagd unmittelbar bevorstand, nutzten die zwei Dutzend makellos frisierter und gekleideter Edelfrauen, die die Jagdgesellschaft begleitet hatten — zumeist zierlich im Damensattel oder gar in der Sänfte, was zu Brionys Ärger alle erheblich aufgehalten hatte — die Gelegenheit, um sich auf einen nahen Hügel zurückzuziehen, wo sie das Erlegen der Beute aus sicherer Entfernung verfolgen konnten. Briony sah, daß Rose und Moina, ihre beiden Kammerjungfern, eine Decke am Hang ausgebreitet hatten und auffordernd zu ihr herübersahen. Rose Trelling war eine Nichte von Konnetabel Brone, Moina Hartsbrook die Tochter eines Edelmanns aus Helmingsee. Beide waren gutherzige Mädchen und daher Brionys Favoritinnen in einem, wie sie fand, ansonsten herzlich mittelmäßigen Stall von Hofdamen, aber manchmal fand sie sie auch genauso dumm und engstirnig wie die älteren Frauen aus ihrer Verwandtschaft, die schon die kleinste Abweichung von steifer Etikette oder althergebrachter Tradition als Skandal betrachteten. Puzzle, der Hofnarr, saß bei ihnen, zog neue Saiten auf seine Laute und wartete, daß sich offenbarte, was die beiden Edelfräulein in ihrem Weidenkorb hatten.
    Die Vorstellung, sich in die Sicherheit des Hügels zurückzuziehen und den Rest der Jagd von dort aus zu verfolgen, während ihre Jungfern den Schmuck und die Kleidung der anderen Edelfrauen durchhechelten, war zu schmerzlich. Briony runzelte die Stirn und winkte einem Jagdpagen, der mit mehreren schweren Speeren an ihr vorbeistolperte. »Gib mir einen.«
    »Was hast du vor?« Mit einem Arm konnte Barrick die langen Speere nur schwer handhaben, weshalb er gar nicht erst einen verlangt hatte. »Du kannst nicht näher an diese Kreatur heranreiten. Kendrick wird es nicht zulassen.«
    »Kendrick hat genug anderes im Kopf. Oh, verdammt.« Sie verzog das Gesicht. Gailon von Gronefeld hatte sie erspäht und kam auf sie zugaloppiert.
    »Hoheit! Prinzessin!« Er beugte sich aus dem Sattel, als wollte er ihr den Speer abnehmen, und merkte erst im letzten Moment, daß das eine Grenzüberschreitung wäre. »Ihr werdet Euch verletzen.«
    Sie schaffte es mit Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Ich weiß, welches Ende ich von mir weghalten muß, Herzog Gailon.«
    »Aber es gehört sich nicht für eine Dame ... schon gar nicht bei einem so gräßlichen Biest ...!«
    »Dann müßt Ihr eben zusehen, daß Ihr es vor mir tötet«, sagte sie, jetzt etwas höflicher, aber beileibe nicht freundlicher. »Denn wenn es in meine Nähe gelangt, kommt es nicht weiter.«
    Barrick stöhnte, rief dann den Jagdpagen zurück, nahm eine Saufeder entgegen und klemmte sie sich unbeholfen unter den Arm, mit dem er die Zügel hielt.
    »Und was hast du vor?« fragte sie.
    »Wenn du solche Dummheiten machst, Strohkopf, muß dich ja jemand beschützen.«
    Gailon Tolly sah beide kopfschüttelnd an und ritt dann wieder zu Kendrick und den Hunden.
    »Ich glaube, er ist nicht gerade entzückt von uns«, sagte Briony fröhlich. Von irgendwo droben am Hang hörte sie den Waffenmeister erst ihren Namen, dann den ihres Bruders rufen. »Und Shaso wohl auch nicht. Los, komm.«
    Sie sprengten vorwärts. Jetzt, da sich ein Ring mit

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