Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Vansen, ob sie die Nacht wohl im Wald verbringen müßten, was kein angenehmer Gedanke war. Als sie ihr Mittagsmahl aus Wegbrot und Käse verzehrten, rief er Raemon Beck wieder zu sich.
    »Es gibt nichts zu erzählen«, sagte Beck verdrossen. »Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Geschwätz über Schweine und Geißen anhören müssen. Ich glaube, wenn wir jetzt zufällig auf das Gehöft ihres Vaters stoßen würden, dann würde ich es eigenhändig anzünden.«
    »Danach wollte ich Euch gar nicht fragen. Dieser Wald — als Ihr durch den Wald geritten seid, wie lange hat das gedauert? Auf dem Hinweg nach Settland, meine ich.« Er versuchte freundlich zu lächeln. »Ich nehme an, auf dem Rückweg habt Ihr nicht groß auf so etwas geachtet.«
    Becks Miene war fast schon belustigt, ohne daß es seine Verzweiflung überdeckt hätte. »Auf dem Hinweg sind wir durch keinen Wald geritten.«
    »Was soll das heißen? Ihr habt doch die Settländerstraße genommen, oder nicht?«
    Das Gesicht des Kaufmannsneffen war blaß und müde. »Begreift Ihr denn nicht, Hauptmann? Alles hat sich verändert. Alles. Ich erinnere mich von meiner Reise nicht mal an die Hälfte von dem hier.«
    »Was ist denn das für ein Unsinn? Es ist doch erst ein, zwei Wochen her. Ihr müßt doch durch diesen Wald gekommen sein. Eine Straße ist doch kein Fluß — sie tritt doch nicht einfach über die Ufer und sucht sich ein neues Bett.«
    Beck zuckte nur die Achseln. »Dann muß ich diesen Wald vergessen haben, Hauptmann.«
    Der Nachmittag ging ins Land. Die Schneise, in der die Straße lag, war still und düster, aber es gab Leben — ein paar Stück Rotwild, Eichhörnchen, zwei Silberfüchse, die über eine Lichtung neben der Straße huschten wie verirrtes Mondlicht, um dann in einem Dickicht zu verschwinden, und einen Raben, der sie eine Weile zu begleiten schien, indem er von Ast zu Ast flatterte und den Kopf schieflegte, um sie mit leuchtend gelben Augen zu mustern. Schließlich verscheuchte einer der Männer, der die beharrliche, lautlose Anwesenheit des Raben nicht mehr ertragen konnte, das Tier mit einem Steinwurf. Vansen brachte es nicht übers Herz, ihn dafür zurechtzuweisen.
    Als schließlich die scharfen Blatt- und Astschatten auf der Straße zu einem einzigen Dämmergrau verschwammen, befand er, daß sie nicht länger darauf setzen konnten, doch noch aus dem Wald herauszukommen. In einer Stunde würde es dunkel sein. Er ließ den Trupp haltmachen und das Lager gleich an der Straße aufschlagen.
    Als er gerade vor dem Haufen gesammelten Reisigs kniete und mit seinem widerspenstigen Flintfeuerzeug Funken zu schlagen versuchte, kam einer der jüngsten Gardesoldaten den Waldrand entlang gerannt.
    »Hauptmann! Hauptmann!« rief er. »Dort vorn ist jemand auf der Straße.«
    Vansen stand auf. »Bewaffnet? Konntet Ihr das erkennen? Wie viele?«
    Der junge Soldat schüttelte den Kopf, die Augen schreckgeweitet. »Nur einer — ein alter Mann, glaube ich. Und er ging von uns weg. Ich hab ihn gesehen! Er hatte einen Stab und einen Mantel mit hochgeschlagener Kapuze.«
    Die fast schon fiebrige Erregung des Burschen erstaunte Vansen. »Sicher ein Wäldler hier aus der Gegend.«
    »Er ... er kam mir seltsam vor.«
    Ferras Vansen sah sich um. Die Männer hatten im Errichten des Lagers innegehalten und sahen jetzt alle her. Er spürte ihre Neugier und ihr Unbehagen. »Tja, dann wollen wir mal nachsehen. Ihr kommt mit. Saddler? Ihr auch. Vielleicht können wir ja heute alle etwas bequemer nächtigen, wenn dieser Alte irgendwo hier in der Nähe wohnt.«
    Er und Saddler saßen auf und folgten dem jungen Soldaten die Straße entlang, um die Biegung, die das Lager ihrem Blick entzog. Tatsächlich, da war eine kleine, dunkle Gestalt, die vor ihnen hereilte. Obwohl die Gestalt gebeugt war, dachte Vansen, wenn das ein alter Mann war, dann mußte es ein sehr behender Greis sein.
    Sie ließen den jungen Fußsoldaten zurück und sprengten los, in der Erwartung, die verhüllte Gestalt im Handumdrehen zu stellen, aber es wurde jetzt rasch dunkel, und obwohl die nächste Biegung nur ganz sanft war, konnten sie ihn nicht mehr entdecken.
    »Er hat uns kommen hören und sich im Wald versteckt«, sagte Collum Saddler.
    Sie ritten noch etwas weiter, bis sie ein längeres Stück Straße überblicken konnten. Trotz des Dämmerlichts war doch klar, daß da niemand war. Sie wendeten ihre Pferde, ritten langsam zurück und spähten ins Unterholz zu beiden

Weitere Kostenlose Bücher