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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Beobachter?
    Verwirrt kniete Chert sich hin und schob vorsichtig die Hand unter das zusammengerollte Hemd, das dem Jungen als Kopfkissen diente. Seine Finger ertasteten etwas Hartes, aber Flints Kopf lag genau darauf; er würde den Jungen aufschrecken, wenn er es herauszuziehen versuchte. Er griff unter die Schulter des Jungen und versuchte, ihn sachte anzuheben.
    »Du wirst ihn wecken ...«, flüsterte Opalia.
    Wäre das denn so schlimm?
fragte sich Chert. Es gab ja wohl keinen Grund, die ganze Aktion heimlich durchzuführen. Ja, er hätte sogar lieber bis zum Morgen gewartet, wenn ihm nicht klar gewesen wäre, daß er bis dahin kein Auge zutun würde. Und doch, als sich der Junge gähnend auf die Seite drehte, so daß Chert das Säckchen samt Schnur unter dem zusammengerollten Hemd hervorziehen konnte, fühlte er sich wie ein Dieb.
    Immerhin hat er's nicht versteckt,
dachte Chert.
Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? Wenn er wüßte, daß etwas Schlimmes drin ist, würde er's doch verstecken, oder?
    Chert nahm das Säckchen mit hinaus an den Küchentisch, und Opalia folgte ihm so dicht auf den Fersen, als wäre das Ding nicht nur Flints Eigentum, sondern ein Stück von ihm. Das letzte Mal war Chert durch den seltsamen Stein abgelenkt worden, diesen unbekannten Kristall, den er Chaven gegeben hatte. Jetzt untersuchte er das Säckchen erneut. Es war so groß wie ein Hühnerei, aber ziemlich flach, nur etwa so dick wie ein Finger. Die Stickerei war prächtig und aufwendig, mit vielen verschiedenfarbigen Fäden ausgeführt, aber es war ein Muster, kein Bild, und sagte ihm wenig. »Hast du so was schon mal gesehen?«
    Opalia schüttelte den Kopf. »Auf dem Markt habe ich mal eine Ösenstich-Stickerei aus Connord gesehen, aber die war viel simpler.«
    Chert nahm das Säckchen behutsam in die Hand und drückte vorsichtig mit dem Zeigefinger daran herum. Es gab mit einem leisen, elastischen Knirschen nach, aber in der Mitte war etwas Festes, Knochenhartes. »Wo ist mein Messer?«
    »Das plumpe Ding?« Opalia war bereits auf dem Weg zu ihrem Nähkästchen. »Wenn du dem Jungen schon sein Eigentum wegnimmst und aufschneidest, brauchst du es nicht wie ein Metzgerlehrling zu tun.« Sie kam wieder und entnahm dem Nähkästchen eine winzige Klinge mit einem Griff aus poliertem Perlstein. »Nimm das hier. Nein, ich hab's mir anders überlegt. Gib her. Schließlich bin ich ja diejenige, die das Ding wieder zunähen darf, wenn du genug darin herumgeschnüffelt hast.«
    Vorausgesetzt, es ist etwas, das man einfach wieder in seine Hülle zurückstecken kann, als wäre nichts gewesen,
dachte Chert, sagte es aber nicht. Der Junge selbst war schließlich auch nichts gewesen, was man wieder in den Sack hatte stecken können, warum sollte es da mit dem Inhalt dieses Säckchens anders sein?
    Opalia trennte vorsichtig ein Stück der einen Seitennaht auf, wo die Stickerei nur minimal war. Chert mußte zugeben, daß er daran nicht gedacht hätte, daß er das Ding einfach oben aufgeschnitten und damit viel mehr von der Stickerei ruiniert hätte.
    »Und wenn ... wenn die Stickerei selbst etwas Magisches ist?« sagte er plötzlich. »Wenn wir den Zauberbann durch das Aufschneiden brechen und er das, was da drin ist, nicht mehr drin hält?« Er wußte nicht genau, was er sagen wollte, aber zu dieser nächtlichen Stunde war es schwer, nicht das Gefühl zu haben, unbefugt auf unbekanntes und womöglich gefährliches Terrain vorzudringen.
    Opalia sah ihn säuerlich an. »Typisch du, an so was zu denken,
nachdem
ich angefangen habe.« Aber sie hielt inne und guckte plötzlich ängstlich. »Glaubst du, da ist was Lebendiges drin? Etwas, das ... beißt?«
    »Gib es mir«, versuchte Chert, die Sache ins Scherzhafte zu ziehen. »Wenn jemand einen Finger opfert, dann lieber nicht diejenige, die das Ding wieder zunähen muß.«
    Er quetschte das Säckchen ein wenig, um die aufgetrennte Naht auseinanderzuspreizen, hielt es dann ans Licht. Alles, was er sehen konnte, war etwas, das wie kleine Stückchen von getrockneten Blüten und Blättern aussah. Er beugte sich hinab und schnupperte vorsichtig daran. Der Geruch war exotisch und unidentifizierbar, eine Mischung aus Gewürz- und Blütendüften. Er stocherte mit dem Finger darin herum, bemühte sich zwar, vorsichtig zu sein, zermalmte aber doch das getrocknete Pflanzenzeug, und der Duft wurde intensiver. Schließlich stieß sein Finger auf etwas Hartes, Flaches. Er versuchte es herauszuziehen, aber es war

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