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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Donnerwetter!«
    Gil lächelte nicht, obwohl er normalerweise so höflich war, Kettelsmits Scherze auf seine stille Art zu würdigen. Er fummelte etwas länger als sonst herum, ehe er endlich einen Krug Bier über den Schanktisch schob. Der Schankknecht blinzelte wie eine Eule im hellen Tageslicht und schien noch verwirrter als sonst; Kettelsmit bemerkte mit Freuden, daß er keine Bezahlung verlangte. Conry ließ seinem Logiergast nicht einmal mehr ein Naserümpfen zuteil werden, ohne vorher kassiert zu haben, und drohte bereits, ihn aus der winzigen Kammer ganz hinten im Obergeschoß zu schmeißen. Um sein Glück nicht überzustrapazieren, wollte sich Kettelsmit mit dem Bierkrug in sein Zimmer absetzen, ehe der Schankknecht sein Versehen bemerkte, aber zu seinem Leidwesen hörte er Gil sagen: »Ihr seid Dichter ...?«
    Es war noch zu weit bis zur Treppe, um so zu tun, als hätte er nichts gehört. Er drehte sich um, eine Ausrede auf den Lippen.
    »Ich meine, Ihr könnt doch schreiben, oder?« fragte ihn der schmalgesichtige Bursche. »Ihr habt eine anständige Handschrift?«
    Kettelsmit runzelte die Stirn. »Wie ein Engel, der seine eigene Feder in die Tinte tunkt. Eine vornehme Dame hat mir einmal erklärt, meine Ode an sie wäre ebenso schön und sinnvoll, wenn die Wörter in einer völlig anderen Reihenfolge aneinandergefügt wären.«
    »Ich möchte, daß Ihr mir einen Brief schreiben helft. Macht Ihr das?« Gil sah Kettelsmits Zögern. »Ich bezahle Euch dafür. Reicht das hier?« Er streckte Kettelsmit die Hand hin. In seinem Handteller lag, wie ein Splitter der Sonne selbst, ein Golddelphin. Kettelsmit fiel fast der Bierkrug aus der Hand. Er hatte Gil ja immer schon für etwas einfältig gehalten, mit seinem Gestarre und seinem Schweigen, aber diese Blödheit war ein Geschenk der Götter. Zosim hatte das Gebet eines einfachen Poeten erhört, und es hatte den Gott an einem besonders großzügigen Morgen erreicht.
    »Natürlich«, sagte er rasch. »Es freut mich, dir behilflich sein zu können. Ich nehme das hier ...«, er klaubte die Münze aus der Hand des Bierjungen, »und du kommst dann rauf in mein Zimmer, wenn Conry wieder da ist.« Er leerte den Bierkrug mit einem langen, gierigen Schluck und reichte ihn Gil. »Hier — das erspart dir, ihn nachher runterzubringen.«
    Gil nickte; sein Gesicht war immer noch so ausdruckslos wie das eines Fischs auf einem Verkaufsstand im Hafen. Kettelsmit eilte die Treppe hinauf, fast sicher, daß sich, sobald er in seiner Kammer mit den schrägen Wänden ankäme, der Golddelphin in Luft aufgelöst haben würde wie ein Feen-Geschenk, aber als er die Faust öffnete, war er immer noch da. Jetzt flackerte erstmals ein Verdacht in ihm auf, und er biß auf die Münze, aber sie hatte die weiche Festigkeit von echtem Gold. Wobei Kettelsmit allerdings in den zwanzig Jahren seines Lebens nicht oft Gelegenheit gehabt hatte, auf Gold zu beißen.
     
    Gil stand einfach nur da, gleich an der Tür, die Arme steif am Körper.
    Er ist wirklich noch seltsamer als sonst,
dachte Kettelsmit,
aber bisher hat es mir nur Gutes gebracht.
Er überlegte, ob Gil wohl noch mehr kleine Aufgaben für ihn hatte — ihm das Hemd flicken vielleicht, oder ihm die Stiefel ausziehen helfen.
Wenn er noch mehr Delphine hat, nenne ich ihn gern meinen Herrn, und sei er noch so blöde.
Jetzt kamen ihm erstmals Fragen.
Aber wo hat ein Schankgehilfe eine solche Goldmünze her? Hat er jemanden umgebracht? Na ja, hoffen wir, daß es jemand war, den niemand vermißt ...
    Endlich machte Gil den Mund auf. »Ich will jemandem einen Brief schicken. Schreibt die Wörter hin, die ich sage. Macht sie richtig, wenn sie nicht gut sind.«
    »Gewiß doch, mein Bester.« Kettelsmit nahm sein Schreibbrett, eins der wenigen Dinge, die er noch nicht verpfändet hatte, und spitzte den Federkiel mit einem alten Messer, das er aus Conrys Küche stibitzt hatte.
Mit diesem Gold,
ging ihm auf,
kann ich das Federmesser mit dem beinernen Schaft wieder auslösen. Ha! Ich kann mir sogar eins mit einem Elfenbeinschaft kaufen!
    »Ich weiß nicht, wie man so einen Brief anfängt. Schreibt das selbst hin.«
    »Gern. Und an wen ist der Brief?«
    »Prinz Barrick und Prinzessin Briony.«
    Kettelsmit fiel der Federkiel aus der Hand. »Was? An den Prinzen und die Prinzessin?«
    »Ja.« Gil sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an, eher wie ein Hund oder ein Vogel denn wie ein Mensch. »Könnt Ihr das nicht schreiben?«
    »Doch, natürlich«, beeilte sich

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