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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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diese ganze verflixte Burg plötzlich einstürzen würde, ich würde immer noch hier am Boden sitzen. Diesem finsteren Hurensohn wird Matty Kettelsmit keinen Vorwand liefern.
    Von seinem Platz aus konnte er den Bierjungen Gil auf der anderen Seite des Wächtertischs am Boden sitzen sehen. Kettelsmit hoffte, es war ein gutes Zeichen, daß zwischen Gil und der Tür drei Wächter standen, bei ihm aber nur einer. Das hieß doch wohl, daß sie Gil für den eigentlichen Missetäter hielten. Wobei der Schankknecht auch nicht so aussah, als würde er gleich einen Fluchtversuch riskieren: Sein Gesicht war leer, und er starrte auf eine Stelle der gegenüberliegenden Mauer, als wäre er irgend jemandes verwirrter Großvater, der versehentlich auf dem Markt zurückgelassen worden war.
    Der Wächter, der Kettelsmit so unangenehm angeguckt hatte, kam jetzt mit klirrendem Kettenhemd auf ihn zu, bis er genau vor ihm stand. Sorgsam — aber nicht
zu
sorgsam — bohrte er die Spitze seiner Pike in die Ritzen des Steinfußbodens, nur wenige Zoll von Kettelsmits edelsten Teilen. Wenn dies ein wichtiger Anlaß gewesen wäre oder jedenfalls ein wichtiger Anlaß der vergnüglichen Art, hätte sie zweifellos Mattys Schamkapsel aufgeschlitzt.
    »Ich hab dich im
Dachsenstiefel
gesehen«, sagte der Wächter. Kettelsmit, der auf die wie eine Erobererfahne zwischen seinen Schenkeln aufgepflanzte Pike starrte, war zunächst etwas verwirrt, weil er glaubte, man bezichtige ihn, die Fußbekleidung irgendeines Gardemaskottchens gestohlen zu haben. »Hast du mich verstanden, du Wicht?«
    Plötzlich arbeitete sein Gehirn wieder. Der Mann sprach von einer Schenke beim Basiliskentor, wo Kettelsmit ein paarmal gewesen war, meist in Begleitung des trunksüchtigen Stückeschreibers Nevin Kennit. »Nein, Sir, Ihr verwechselt mich«, sagte er mit aller Aufrichtigkeit, die er zu heucheln vermochte. »Diesen Ort habe ich nie betreten. Ich bin Stammgast im
Wilden Sauschwanz
in der Knarrstufengasse. Jemand wie Ihr wird den
Sauschwanz
natürlich nicht kennen — das ist ein sehr gewöhnliches Haus.«
    Der Wächter grinste. Er war jung, hatte aber ein unangenehmes, teigiges Gesicht und bereits einen ordentlichen Bauch. »Du hast mir mein Mädel weggenommen. Hast ihr gesagt, mit einem schlauen Fuchs wie dir würde sie mehr Spaß haben als mit ihrem fetten Schwein von Begleiter.«
    »Ihr müßt Euch irren, werter Herr.«
    »Du hast gesagt, sie hat Brüste wie feinster weißer Kuchen und einen Arsch wie ein Granatapfel.«
    »Nein, ganz gewiß wie ein Pfirsich«, sagte Kettelsmit, der sich jetzt erinnerte, wie betrunken er an jenem Abend gewesen war, und den der Gedanke entsetzte, er könnte wirklich einen so plump-unschönen Vergleich wie »Granatapfel« benutzt haben. Er schlug sich sofort die Hand vor den Mund, aber es war zu spät. Seine unbotmäßige Zunge hatte ihn wieder einmal verraten.
    Der Wächter bedachte ihn mit einem zahnlückigen Grinsen, das gewiß nicht der Sorge um sein Wohl entsprang und auch nichts mit kennerhafter Würdigung eines feinen Stückchens erotischer Schmeichelei zu tun hatte. Er beugte sich vor, packte mit seinen dicken Fingern Kettelsmits Nase und verdrehte sie, bis dem Poeten ein erschrockener Schmerzensschrei entfuhr. Der Wächter beugte sich noch weiter vor, bis sein käsestinkender Schlund nur noch einen Fingerbreit vor Kettelsmits Gesicht war, weshalb es diesem nur begrenzt nützte, daß seine Nase momentan so peinvoll abgeklemmt war. »Wenn der Konnetabel nicht deinen Kopf will — und wenn er ihn will, bin ich der erste, der sich für diese Arbeit freiwillig meldet —, dann sehen wir uns im
Sauschwanz,
und zwar bald. Ich werde dir das eine oder andere Stück abschneiden« — er drehte nachdruckshalber die Nase noch ein Stück weiter — »und dann werden wir ja sehen, wie du bei den Weibern ankommst.«
    Die Kerkertür öffnete sich unter metallenen Geräuschen. Der Wächter ließ — allerdings nicht ohne eine letzte, brutale Drehbewegung — Kettelsmits Nase los und setzte sich auf. Kettelsmit schossen die Tränen in die Augen: Es fühlte sich an, als hätte jemand seine Gesichtsmitte in Brand gesteckt.
    »Bei Perins Unterhosen, heult dieser Schwindler?« dröhnte eine Stimme direkt über ihm. »Gibt es denn in diesem Königreich keine richtigen Männer mehr, die nicht Soldaten sind? Sind die übrigen alle nur Hurenwirte, Betrüger und Heulsusen wie der da?« Die mächtige Gestalt des Konnetabels Avin Brone ragte dräuend vor

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