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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Soldaten jetzt wie einen wichtigen Ratgeber zu behandeln schien. Er erinnerte sich dunkel, daß Briony auf dem Weg hierher in die Ratssitzung irgend etwas zu diesem Thema gesagt hatte, aber da hatte es von der Anstrengung des Aufstehens und Ankleidens in seinem Kopf gehämmert. »Ich kann nur sagen, daß diese Kreatur, die wir gefangen haben, davon sprach, daß jemand an der Spitze eines Heeres komme, um unsere Häuser niederzubrennen«, fuhr Vansen fort. »Seltsamerweise sprach dieser Kobold von einer
Sie.
›Sie bringt weißes Feuer‹, sagte er. ›Brennt eure Häuser zu schwarzen Steinen.‹ Aber vielleicht konnte das Monster unsere Sprache ja nicht so gut ...«
    Barrick fühlte einen eisigen Finger seinen Rücken hinabfahren. Vansens Worte glichen so sehr seinem Traum, dieser kalten, weiblichen Stimme aus dem dunklen Nichts. Beinah hätte er etwas gesagt, aber die steinernen, skeptischen Gesichter um ihn herum ließen ihn seine Zunge im Zaum halten.
Der Prinz leidet an Einbildungen,
würden sie sagen.
Er verliert den Verstand.
Er hätte Briony seine Geheimnisse nie gestehen dürfen. Zum Glück war er wenigstens so vorsichtig gewesen, das seltsamste von allen für sich zu behalten.
    »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb dieser feindliche Heerführer
keine
Frau sein kann?« wollte Briony wissen. Barrick fiel auf, daß seine Schwester sich verändert hatte: Es war, als wäre sie immer stärker und härter geworden, während er mit jedem Tag schwächer und hilfloser wurde. »Hat nicht Anglins Enkelin Lily ihr Volk gegen die Grauen Scharen geführt? Wenn die Zwielichtler aus irgendeinem Grund von einer Frau geführt werden, heißt das, daß wir sie nicht zu fürchten brauchen?«
    »Nein, Hoheit, natürlich nicht.« Vansen lief rot an. Barrick fragte sich, ob der Mann vielleicht innerlich wütend war.
    »Aber der Prinz stellt eine wichtige Frage«, sagte der alte Steffans Nynor überraschend sachlich. Der Vogt schien in dieser Stunde der Not seine aufgeregte Servilität abgelegt zu haben.
Bei den Augen des Himmels,
dachte Barrick,
habe ich hundert Jahre geschlafen? Verwandelt sich jeder?
Einen Moment lang schienen die Wände der Kapelle wegzukippen, und er trudelte, fiel. Er fing sich, indem er sich auf die Zunge biß; als der Schmerz bis in die Zungenwurzel schoß, hörte er Nynor sagen: »... schließlich nicht. Vielleicht wollen sie ja nur ihre Kräfte erproben — ein, zwei kleine Überfälle und dann wieder zurück hinter die Schattengrenze.«
    »Wunschdenken«, erklärte Tyne von Wildeklyff. »Wenn Vansen sich nicht gründlich irrt, ist das kein kleiner Streifzug. Sie kommen mit einem mächtigen Heer, der Art Heer, das im Felde bleibt, bis es sein Ziel erreicht hat.«
    »Aber warum ich?« sagte Graf Rorick. »Zuerst rauben sie meine Braut und ihre kostbare Mitgift, und jetzt werden sie meine Grafschaft angreifen. Ich habe diesen Kreaturen doch nichts getan!«
    »Praktische Gründe, Herr — das ist wohl das wahrscheinlichste«, sagte Vansen. Er betrachtete Rorick so ruhig und gelassen, daß Barrick förmlich sah, wie er den Grafen wog und für zu leicht befand.
Aber Vansen stammt doch aus Dalerstroy, oder nicht? Dann ist Rorick sein Grundherr.
Der Gedanke, daß ein Grundherr nicht den uneingeschränkten Respekt seiner sämtlichen Untertanen genießen könnte, verblüffte Barrick, der sich die letzten Jahre so sehr in seinem eigenen Zynismus eingeigelt hatte, daß er gar nicht auf die Idee gekommen war, auch andere könnten die alte Ordnung der Dinge nicht perfekt finden.
    »Praktische Gründe?« fragte Briony.
    »Als ich in ... als ich hinter der Schattengrenze war, Hoheit«, sagte der Hauptmann, »da war es, als ob man in einen reißenden Fluß stürzte, obwohl es mir weniger zu schaffen gemacht hat als meinen Männern. Aber die Zeit ... und selbst die Substanz der Dinge scheint dort von Ort zu Ort anders zu sein, so wie ... so wie jemand, den ein Fluß davonträgt, in einem Moment hinabgezogen und dann wieder an die Oberfläche gehoben wird oder kurz in einem Strudel gefangen ist und dann hilflos gegen Felsen geschleudert wird.«
    »Wovon sprecht Ihr?« fragte Avin Brone. »Ihr sagtet praktische Gründe«.«
    Vansen merkte plötzlich, daß ihn alle ansahen. Er wurde wieder rot, senkte den Kopf. »Verzeiht, ich bin nur ein Soldat ...«
    »Sprecht.« Da war etwas in der Stimme seiner Schwester, das Barrick noch nie gehört hatte; wieder hatte er das Gefühl zu schwimmen, so als hätte ihn Vansens Fluß weit von

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