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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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genauer wußte, womit sie es zu tun hatte, wenn sich erst gezeigt hatte, von welchem Schlag dieser Feind war, würde sie es vielleicht für nützlich befinden, Feuer auf den Hügeln und in den Ebenen lodern zu lassen, damit die Sonnenländler sie sahen und schaudernd zählten — aber nicht heute nacht. Heute nacht würden sie auf den Feind herabfahren wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
    Ihr Zelt war aus Stille und verdichtetem Schatten gewoben. Im überraschend geräumigen Inneren erwarteten sie mehrere Hauptleute; sie saßen im Kreis um das leise, amethystfarbene Glimmen des leeren Helms ihrer Anführerin wie die Flüsternden Mütter um das Große Ei.
    Yasammez wünschte, sie könnte sie alle wegschicken — da war immer dieser Moment der Stille vor dem Lärm und dem Blut, und den verbrachte sie am liebsten allein —, doch es gab da noch Dinge, die getan werden mußten, und sogar einige lästige Formalitäten, die es einzuhalten galt.
    Morgen-im-Aug vom Stamm der Wandelwesen wartete; ihre bloße Brust wogte vom langen Rennen.
»Was habt Ihr für mich?«
fragte Yasammez.
    »Es sind nicht mehr, als wir dachten, oder sie beherrschen die Kunst der Tarnung tausendmal besser als früher. Innerhalb der Stadttore steht eine kleine Garnison. Außerdem gibt es noch kleinere Häuflein Bewaffneter in den vornehmeren Häusern und ein Zeughaus, das darauf schließen läßt, daß sie im Notfall noch mehr Männer aufbieten können.«
    »Aber das Zeughaus ist voll ?«
    Morgen-im-Aug nickte mit dem glatthaarigen Haupt.
»Piken und Helme, Bogen, Pfeile — nichts wurde ausgegeben. Sie ahnen nichts.«
    Yasammez zeigte es nicht, war jedoch erfreut. Ein leichter Sieg würde zwar seine eigenen Probleme mit sich bringen, aber das wichtigste war, daß ihr Heer beim ersten Schlag nicht zu sehr bluten mußte. Trotz ihres beträchtlichen Aufgebots waren sie doch immer noch weit weniger als die Menschen, die sich jetzt auf dem Land breitmachten, das einst ihrem Volk gehört hatte. Sie baute darauf, daß Überrumpelungstaktik und Terror ihre Schlagkraft verzehnfachen würden.
    »Hammerfuß von Erste Tiefen?«
    »Ja, Herrin.«
    »Es ist lange her, daß wir gegen Menschen und deren Bollwerke gezogen sind. Wenn der Ort in Flammen steht, nehmt ein paar von Euren Frauen und Männern und reißt die Mauern ein. Studiert ihre Bauten. Es ist nur eine kleine Stadt, aber vielleicht erfahren wir ja etwas darüber, was wir bezwingen müssen, wenn wir vor dem Alten Ort stehen.«
    »Ja, Herrin.«
    Sie wandte sich an Gyir, den verläßlichsten ihrer Hauptleute, und für einen Moment vereinigten sich ihre Gedanken. Im Vergleich zu ihr und vielen anderen Anwesenden war er noch ein Grünschnabel, aber an List und Grausamkeit war nur sie ihm überlegen. Sie spürte seine kalte Entschlossenheit und war erfreut, sprach dann so, daß die anderen es hören konnten:
»Wenn wir die Stadt in Brand stecken und die Bewohner niedermetzeln, ist es mein Wunsch, daß eine größere Zahl entflieht oder zumindest glaubt, entflohen zu sein.«
Sie hielt inne, dachte unerschüttert an das Grauen, das sie entfesseln würden.
»Sorgt dafür, daß es hauptsächlich Frauen und Kinder sind.«
    Stein der Unwilligen hatte aufgehorcht.
»Aber warum, Herrin? Warum Gnade walten lassen? Sie haben es uns gegenüber nie getan — als sie in der letzten großen Schlacht den Bau meiner Leute entdeckten, steckten sie ihn in Brand und knüppelten unsere Kinder tot, als sie schreiend und weinend hinausrannten.«
    »Es geht nicht um Gnade. Ihr solltet wissen, daß gerade ich keine solche Schwäche kenne, wenn es um die Sonnenländler geht. Ich will, daß die Kunde von dem, was hier geschieht, verbreitet wird — das wird das ganze Land in Angst und Schrecken stürzen. Und die Frauen und Kinder, die wir entkommen lassen, werden nicht zu den Waffen greifen, wie es Männer vielleicht tun würden. Im Gegenteil, in den Städten, die wir belagern, werden sie unnütze Mäuler sein, die Nahrung und Wasser beanspruchen und denen, die gegen uns kämpfen, Vorräte wegnehmen.«
Sie zog Weißfeuer aus der Scheide und legte es neben ihren Helm. In ihrem Schattenpavillon brannte kein Feuer; das mondlichtartige Glimmen des Schwerts war die einzige Lichtquelle.
»Wir haben kein Menschenblut mehr vergossen, seit wir uns hinter die Schattengrenze zurückgezogen haben. Das ist jetzt vorbei. Möge das Buch der Trauer noch über das Ende der Welt hinaus an diese Stunde erinnern.«
Sie hob die Hand.
»Singt mit mir, um

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