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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir unter die Nase reiben?«
    Tynes Mund klappte zu. Dafür sprachen seine Augen.
    »Prinz Barrick und ich müssen darüber reden.« Briony hatte jetzt ihren Zorn niedergekämpft, ihn hinter einer Maske ruhiger Entschiedenheit versteckt.
Sie verwandelt sich in Vater,
dachte Barrick,
aber nicht so wie ich.
Es war keine erfreuliche Erkenntnis.
Sie hat seine majestätische Art geerbt. Ich seinen Fluch.
    »Wir können reden, soviel du willst«, erklärte Barrick seiner Zwillingsschwester. »Doch ich
werde
gehen.« Und er wußte, er würde es tun. Er war schließlich ein regierender Eddon, und da war jetzt etwas Hartes, Kaltes in ihm, mit dem es niemand von ihnen aufnehmen konnte. Er würde seinen Willen durchsetzen.

    »He, Chert, habt Ihr den Jungen gefunden?« rief eine Frau, die ihm nur vage bekannt vorkam. Vielleicht war sie ja eine Sandstein; die Frau, mit der sie auf der Eingangsveranda tratschte, schien jedenfalls das unverkennbare Kinn der Sedimentsippe zu haben. »Noch nicht«, rief er.
    »Müßt Ihr so brüllen wie der Wind im Kamin?« beschwerte sich Giebelgaup auf Cherts Schulter. »Hätt mir beinah den Schädel eingedrückt.«
    »Entschuldigung.« Chert war froh, daß die Frauen den kleinen Wicht auf diese Entfernung nicht sehen konnten. Immer noch besser, sie glaubten, er spräche mit seiner eigenen Schulter, als daß ihm sämtliche Kinder der Funderlingsstadt und die Hälfte der Erwachsenen den ganzen Gipsweg entlang folgten, in der Hoffung, einen lebendigen Dachling zu sehen. »Seid Ihr sicher, daß Ihr nicht in der Tasche meiner Tunika sitzen könnt, wo Euch keiner sieht?«
    »Und wo ich nichts zu riechen vermag?«
    »Ah, ja, das stimmt allerdings.«
    Giebelgaup bewegte sich und sog so laut Luft durch die Nase, daß Chert es hören konnte. »Geht jetzt ... haltet Euch ...
chi'm'uk!«
Er trommelte ärgerlich mit den Hacken auf Cherts Schulter ein. »Wo ist die Sonne? Wo ist sonnenwärts? Wie kann ich die Richtung weisen?«
    »Rechts oder links muß wohl genügen, da Ihr vermutlich nicht wißt, wo das Steinhauertor ist oder das Seidentor. Links und rechts kennt Ihr doch, oder?«
    »Natürlich. Doch heißen wir es ›linkens‹ oder ›rechtens‹, wenn wir Eure Sprache sprechen. Dann also linkens, links, wie Ihr wünscht, doch biegt jetzt ab.«
    Chert verstand nicht, warum die Dachlinge in einer Sprache, die nicht mal ihre eigene war, andere Wörter verwandten als alle anderen Leute, aber er hatte ja schon längst gemerkt, daß Giebelgaup seine eigene seltsame Ausdrucksweise hatte; von all den kleinen Leutchen vermochte nur die Königin klar und zivilisiert mit Chert zu reden. Er fragte sich wieder, warum sie die Sprache der größeren Welt besser konnte als ihre Untertanen, verschwendete jedoch keine weiteren Gedanken darauf.
    Giebelgaup hielt sich jetzt an einer Strähne von Cherts Haar fest, damit er zum Wittern ungefährdet aufstehen konnte, und seinen Rechts-Links-Anweisungen folgend entfernte sich das seltsame Gespann immer weiter vom Kern der Funderlingsstadt, ja, bald wurde offenkundig, daß Giebelgaups Nase sie beide in die äußersten Randbereiche führte. Wenn es denn wirklich die Fährte des Jungen war, mußte dieser einen ziemlich verschlungenen Weg gegangen sein, aber die Generalrichtung war eindeutig stadtauswärts und abwärts. Weshalb Chert, als sie sich dem Salzsee näherten, eigenmächtig abbog und den kleinen Wicht in die riesige Höhle trug.
    »Ihr habt die falsche Richtung eingeschlagen.«
    »Wir gehen wieder zurück, wir brauchen nur etwas von hier. Bald sind wir da, wo keine Straßenlampen brennen, und was auch immer Ihr über uns Funderlinge gehört haben mögt, wir können nicht im Stockdunklen sehen. He, Block!«
    Der kleine Funderling kam über die unwegsamen Steine auf sie zu, und seine Augen wurden weit, als er — zweifellos zum erstenmal in seinem Leben — einen erwachsenen Mann sah, der kleiner war als er selbst. »Was ist das, Chert?«
    »Das ist kein ›Das‹, sondern ein ›Der‹ — Giebelgaup heißt er. Er ist ein Dachling. Ja, ein echter Dachling. Habt Ihr das mit Flint gehört? Tja, dieser Bursche hier hilft mir suchen. Ich erzähle es Euch genauer, wenn ich das nächste Mal komme, aber ich wäre dankbar, wenn Ihr es vorerst für Euch behalten könntet. Jetzt will ich erst mal in Richtung Seidentor, und da brauche ich Licht.«
    »Hab gerade einen Korbvoll heraufgeholt, für die zweite Schicht«, sagte Block, während er eine Auswahl glühender Korallenbrocken

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