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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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des gesamten Volkes willen. Wir müssen jetzt den blinden König und die schlafende Königin preisen und schwören, dem Pakt des Spiegelglases Folge zu leisten — ja, wir werden es alle miteinander schwören, ganz gleich, was wir denken — und dann werden wir Feuer und Schrecken über unsere Feinde bringen.«

DRITTER TEIL - FEUER

27

Milnersford
    Die Geschichte der Jahre:
Jede umgewandte Seite ist eine Seite aus Feuer.
Die Schildkröte leckt sich die verbrannten Füße
Und starrt ins Dunkel.

Das Knochenorakel
    Er wußte, er mußte aufpassen. Barrick wußte, das, was passierte, war wichtig, wenn auch schwer zu glauben. Und er wußte auch, seine Schwester erwartete, daß er einen Teil der Last schulterte. Er wußte nur nicht, ob er es konnte oder nicht.
    Es waren die Träume, seine schrecklichen Träume, die an ihm zehrten, so wie die Wellen des Meeres an dem Dammweg zwischen der Südmarksfeste und Südmarksstadt fraßen, unaufhörlich, so daß ständig Männer damit beschäftigt waren, ihn mühsam wiederherzustellen. Manchmal konnte er sich kaum noch erinnern, wie es sich anfühlte, einfach nur Barrick zu sein. Es gab Nächte, da wachte er auf und fand sich dabei wieder, wie er an der Tür seines Schlafgemachs kratzte, jener Tür, die seine Bediensteten Nacht für Nacht abschlossen, um ihn am Schlafwandeln zu hindern. Dann wieder fuhr er mitten in der Nacht aus Albträumen hoch, beinah sicher, daß er sich in etwas anderes verwandelt hatte, und konnte nichts tun, als im Dunkeln dazusitzen und sich zu betasten, zuerst seine Hände und Arme, dann, zögernd, sein Gesicht, erfüllt von der schrecklichen Angst, da irgendeine schreckliche Verwandlung festzustellen, die der Brutalität dieser Träume entsprach. Im Traum war er oft von gesichtslosen Gestalten umzingelt, die ihn gefangenzunehmen oder sogar zu töten drohten, wenn er sie nicht zuerst vernichtete. Dann wachte er jedesmal schweißgebadet auf, atemlos vor Angst, daß er im Begriff war, sich, wie ein Gestaltwandler aus einem alten Ammenmärchen, selbst in eine grausame Bestie zu verwandeln, und, was noch schlimmer war, daß sich diesmal die Albtraumkreatur, der er eben mit bloßen Händen das Genick gebrochen hatte, als ein realer Mensch entpuppen würde, über den er hergefallen war — jemand, den er kannte, den er vielleicht sogar liebte.
    Inzwischen gab es kaum noch eine Trennung zwischen dem Wahnsinn der Albträume und dem, was einst das Refugium des Wachseins gewesen war. In den Dämmerstunden der letzten Nacht war er erwacht, und da war diese Stimme in seinem Ohr gewesen, so als ob jemand unmittelbar neben ihm säße, obwohl sich im Raum nichts geregt hatte außer dem Atem seines schlafenden Pagen.
    »Wir brauchen den Mantel nicht mehr«,
hatte sie gesagt — eine Frauenstimme, gebieterisch, kalt. Es war
nicht
wie ein Traum gewesen, sondern so, als ob die Stimme in seinen Schädelknochen selbst schwänge, so unmittelbar, daß er zusammenzuckte.
»Wir werden über sie hinwegfegen wie Feuer. Sie werden uns fürchten, im Hellen wie im Dunkeln ...«
    »... Prinz Barrick?« sagte eine schroffe Stimme.
    Jemand sprach ihn an — eine echte Stimme, kein nächtlicher Traum. Er schüttelte den Kopf versuchte dem irgendeinen Sinn abzuringen.
    »Prinz Barrick, wir wissen, daß es eine Anstrengung für Euch ist, hier zu sein, und wir sind Euch alle sehr dankbar dafür. Soll ich Euch etwas Wein bringen lassen?« Es war Avin Brone, der sich bemühte, ihn taktvoll daraufhinzuweisen, daß er nicht aufpaßte.
    »Bist du wieder krank?« fragte Briony leise.
    »Es geht schon. Es ist nur ... das Fieber, immer noch. Ich schlafe nicht gut.« Er atmete tief durch, um einen klareren Kopf zu bekommen, versuchte sich zu erinnern, was die anderen gerade gesagt hatten. Er wollte zeigen, daß er es wert war, hier zu sitzen, genau wie seine Schwester. »Aber warum sollten diese Elbenungeheuer hierherkommen und uns angreifen? Warum gerade jetzt?«
    »Wir wissen nichts Sicheres, Hoheit.« Das war dieser stille Bursche, Vansen, der Gardehauptmann. Barrick wußte nicht genau, was er von dem Mann hielt. Brionys Zorn auf ihn war berechtigt gewesen — zuzulassen, daß ein Prinzregent in seinem eigenen Schlafgemach ermordet wurde, war ja wohl offensichtlich ein Pflichtversäumnis, und unter dem alten König Ustin wäre der Kopf des Hauptmanns vermutlich schon vor Wochen über dem Basiliskentor aufgespießt worden —, deshalb konnte er sich nicht recht erklären, warum sie den jungen

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