Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
seinem eigenen, vertrauten Leben weggewirbelt. »Ihr seid ja genau deshalb hier, weil Ihr Dinge gesehen habt, die wir übrigen nicht gesehen haben, Hauptmann Vansen. Sprecht.«
    »Ich meinte ja nur ... daß ich mich gefragt habe, warum sie, wenn sie ein so großes Heer versammelt haben, ausgerechnet bei Dalerstroy in die Markenlande einfallen. Ich bin dort geboren, also kenne ich die Gegend. Es gibt zwar einige größere Ortschaften wie Dalenhall, Milnersford und Ravenshill, aber hauptsächlich besteht die Besiedelung aus kleinen Berggehöften, einigen wenigen größeren Höfen und ein paar verstreuten Dörfern. Wenn sie gegen uns ziehen wollen, was ich glaube, warum sollten sie dann an einem so entlegenen Zipfel anfangen? Selbst wenn sie nicht wissen, daß meine Männer und ich sie gesehen haben, und daher immer noch glauben, sie könnten uns überrumpeln, warum sollten sie das Risiko eingehen, daß Leute ostwärts fliehen können, um uns zu warnen, und wir so Gelegenheit haben, uns vorzubereiten? Wenn sie in den Hügeln von Ostmark über die Schattengrenze gekommen wären, dann wären sie jetzt schon hier, und ich fürchte, dann wäre dieser Rat jetzt nicht hier versammelt, es sei denn, um die Eroberer zu empfangen.«
    »Das ist Verrat!« sagte Rorick. »Wer ist dieser gemeine Soldat, daß er solche Dinge zu sagen wagt? Soll das heißen, wir können sie nicht schlagen?«
    »Nein, Herr.« Vansen hatte das Kinn vorgeschoben. Er sah Rorick nicht an, schien jedoch nicht eingeschüchtert. »Nein, aber ich habe sie mit eigenen Augen gesehen — sie haben ein mächtiges Heer. Wären sie bei Nacht über Südmark hereingebrochen, dann würden in dieser Stadt jetzt Chaos und Panik herrschen.«
    »Was genau wollt Ihr denn sagen, Hauptmann Vansen?« fragte Briony.
    »Daß die Zwielichtlande vielleicht ihre eigenen Gezeiten und Gesetzlichkeiten haben.« Er sah sie fast schon flehend an. »Vielleicht sind sie ja an der einzigen Stelle herübergekommen, an der sie es tun konnten. Es ist schwer auszudrücken — es gibt keine Worte dafür ...«
    »Vielleicht hat der Hauptmann ja recht«, sagte Graf Gowan, dessen Grafschaft in Helmingsee eine kleine, aber hervorragende Flotte unterhielt. Gowan wirkte normalerweise wie jemand, der sich in eine Diskussion, und sei sie noch so ernst, hauptsächlich um des Amüsements willen einschaltete. »Aber vielleicht haben sie ja auch kein Interesse an Südmark. Vielleicht sind die Geisterwesen ja doch nur auf einem kleinen Raubzug, und Ihr habt Euch getäuscht, oder ihr Ziel liegt weiter südlich, in Syan. War es nicht König Karal von Syan, der einst die Heere Eions gegen sie führte? Vielleicht wollen sie ja Rache.«
    Barrick fühlte, wie rund um den Tisch die Spannung nachließ. Ein paar ältere Edelleute nickten zustimmend. »Nein«, sagte er. Er hatte lange nichts mehr gesagt: Die anderen schienen überrascht, den Prinzen überhaupt sprechen zu hören. »Sie wollen diesen Ort — Südmark. Sie haben hier einst gelebt.«
    »Das ist eine alte Mär«, sagte Brone langsam. »Ich bin mir nicht sicher, daß es wirklich stimmt, Hoheit ...«
    Aber Barrick wußte, daß es stimmte, so wie man wußte, daß es regnen würde, wenn man an einem feuchtkalten Morgen aufwachte. Er konnte jedoch nicht erklären, warum er sich so sicher war. »Nicht nur eine alte Mär«, war alles, was er hervorbrachte. »Sie haben hier einst gelebt.«
    Der alte Nynor räusperte sich. »Es stimmt, daß ... daß da unter der Festung und tiefer im Fels Steine sind, die Teil einer älteren Festungsanlage waren.«
    »Menschen hat es hier schon lange gegeben, noch vor Anglins Leuten«, wischte Tyne den Einwand beiseite. »Und die Funderlinge waren schon hier, als die Menschen kamen, das weiß doch jeder.«
    »Das geht alles an der Sache vorbei«, sagte Briony. »So sehr es sich einige von Euch wünschen mögen, können wir doch nicht einfach darauf bauen, daß die Zwielichtler nach Syan ziehen, um sich an Karals Erben zu rächen. Wir können es nicht einfach dabei belassen. Sie sind auf unserem Land. Jedes Gehöft in Dalerstroy ist Teil der Markenlande. Und so wie Rorick als ihr Grundherr die Leute dort beschützen muß, ist es an der Krone von Südmark, ihm dabei zu helfen.«
    Rorick strich sich eine Locke aus der Stirn. Er hatte zwar Zugeständnisse an die Tatsache gemacht, daß es sich um einen Kriegsrat handelte — seine Kleidung war, obschon aufs raffinierteste geschneidert, deutlich weniger extravagant als sonst —, aber

Weitere Kostenlose Bücher