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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Tür, vermutete sie doch, daß er von einem der Fenster ihr Nahen beobachtet hatte und dann schnell in die Halle hinabgeeilt war, um diese »zufällige« Begegnung zu inszenieren.
    »Hoheit, Prinzessin Briony, die Ihr so schön, erhaben und klug seid, es ist ein nicht in Worte zu fassendes Vergnügen, Euch zu sehen. Und, oh, Ihr seid für die Schlacht gekleidet, wie es sich für eine Kriegerkönigin geziemt.« Er beugte sich zu ihr und flüsterte verschwörerisch: »Ich habe gehört, unser Land sei bedroht, glorreiche Prinzessin — man sei dabei, ein Heer aufzustellen. Ich wollte, ich wäre der Mann, ein Schwert zu erheben und für Euch zu streiten, aber meine Waffen sind bewegende Gesänge und Oden, die ich zum Wohle der Krone und des Landes verfassen werde, auf daß sie Ansporn zu tapferen Taten seien!«
    Er war nicht übel anzusehen — ja, er war sogar ein ganz schmucker Bursche, was vermutlich einer der Gründe war, warum Barrick ihn nicht leiden konnte —, aber heute fehlte ihr selbst für solch harmlosen Unsinn die Geduld. »Wollt Ihr mit den Truppen ziehen, damit Ihr Schlachtengedichte verfassen könnt, Kettelsmit? Meine Erlaubnis habt Ihr. Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet ...«
    Er schien etwas von der Größe eines Federballs hinunterzuschlucken. »Mit den Truppen ...?«
    »Mit dem Heer, ja. Nur zu. Und wenn das alles war, würdet Ihr jetzt ...«
    »Aber ich ...« Er schien so verdattert, als sei ihm noch nie der Gedanke gekommen, daß man ihn anweisen könnte, sich den Truppen von Südmark anzuschließen. Tatsächlich war es von Brionys Seite eher ein boshafter Scherz — in Wirklichkeit wollte sie keinem Truppenführer ihren Bruder
und
diesen Dichterling aufbürden. »Aber ich wollte nicht ...« Kettelsmit schluckte wieder. Es wurde für ihn nicht leichter. »Eigentlich bin ich hier, weil Gil Euch um eine Audienz bittet, Hoheit.«
    »Gil?«
    »Der Bierjunge, Hoheit. Ihr entsinnt Euch doch seiner gewiß noch, denn seinetwegen wurde mir ja erstmals Eure Aufmerksamkeit zuteil ...«
    Sie erinnerte sich jetzt — der dünne Mann mit den seltsamen, stillverrückten Augen. »Der mit den Träumen — er will mich sprechen?«
    Kettelsmit nickte eifrig. »Ja, Hoheit. Ich habe ihn im Kerker besucht — der arme Kerl sieht ja kaum noch eine Menschenseele, er ist ja beinah ein Gefangener — und er bat mich ausdrücklich, mit Euch zu reden. Er sagt, er habe Euch etwas Wichtiges zu erzählen, über das, was er ›den bevorstehenden Kampf‹ nennt.« Kettelsmits Stirn legte sich in Falten. »Es hat mich, ehrlich gesagt, erstaunt, einen solchen Ausdruck aus seinem Munde zu hören, Hoheit, denn er ist eigentlich nicht gerade gebildet.«
    Briony schüttelte den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen. Sie fühlte sich ein wenig überrollt von der schnellen und übermäßig modulierten Sprechweise des Poeten. Er war ein Plappermaul und ein Straßengeck in höfischer Verkleidung. »Gil, der Schankknecht, will mit mir über den bevorstehenden Kampf reden? Das muß er von den Wachen im Verlies aufgeschnappt haben.« Im Verlies, wo noch ein anderer gefangensaß, wie ihr plötzlich wieder bewußt wurde. Eine Welle von Schwindel erfaßte sie, etwas, das schon an Panik grenzte. Shaso dan-Heza war derjenige, dem es eigentlich zugekommen wäre, diesen Kriegszug und eine mögliche Verteidigung der Festung zu befehligen. Hatte jemand genau das verhindern wollen? Hatte man ihm genau aus diesem Grund den Mord an Kendrick in die Schuhe geschoben?
    »Ja, Hoheit«, bestätigte Kettelsmit. »Zweifellos hat er es dort gehört. Aber jedenfalls, das ist die Botschaft, die ich Euch übermitteln sollte. Und was das Fortziehen mit dem Heer angeht ...«
    »Ich habe Euch die Erlaubnis bereits erteilt«, sagte sie, drehte sich um und strebte schnellen Schritts zu Uttas Gemächern. Sie hörte, wie ihre Wachen sich knurrend an Kettelsmit vorbeizuzwängen suchten, der ihr offenbar folgte.
    »Aber, Hoheit ...«
    Sie drehte sich um. »Der Schankknecht — er gab Euch doch einen Golddelphin für das Schreiben des Briefes?«
    »J-ja ...«
    »Und wie kommt ein Schankknecht an ein dickes, funkelndes Goldstück?« Da Kettelsmit diese Frage offensichtlich nicht beantworten konnte, drehte sie sich wieder um.
    »Ich weiß nicht. Aber, Hoheit, wegen ... wegen der Armee ...«
    Ihr Kopf war zu voll. Sie hörte ihn kaum.

    »Weiter als bis zum Tempel gehen wir fast nie hinunter«, erklärte Chert seinem kleinen Passagier, während sie dem

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