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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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gut zu«, sagte Chert, als er sich ein Stück vom Tempel der Metamorphosebrüder entfernt hatte. Er hielt die Hand an seine Schulter, ließ Giebelgaup daraufsteigen und hielt ihn dann so vor sich, daß er das winzige Gesicht erkennen konnte. »Wenn Eure Nase Euch nicht trügt und Flint wirklich in diese Richtung gegangen ist, dann glaube ich zu wissen, wo er hingegangen ist.«
    »Wenn meine Nase ...« Das Gesicht des Dachlings verzog sich zum Inbild der Entrüstung. »Bin nicht dafür gezüchtet, wie's der Hochedle ist, doch selbgen ausgenommen, gibt's in ganz Hohensüdmark keinen besseren Spürling ...«
    »Ich glaube Euch ja.« Chert atmete tief und zittrig ein. »Es ist nur ... da, wo er hingegangen ist ...« Seine Knie fühlten sich wacklig an, und er mußte sich hinsetzen, was er ganz vorsichtig tat, weil der Dachling noch immer auf seiner Hand stand. Zum erstenmal, solange Chert Blauquarz denken konnte, wollte er, er wäre unter freiem Himmel statt unter der unvorstellbaren Last von Stein, die er fast sein ganzes Leben lang über sich gehabt hatte und die für ihn der Himmel seiner Welt war. »Da, wo er hingegangen ist, das ist ein sehr ... sonderbarer Ort. Ein heiliger Ort. Und manchmal kann es ein gefährlicher Ort sein.«
    »Katzen? Schlangen?« Die Augen des Dachlings weiteten sich. Trotz seiner eigenen Angst hätte Chert beinah gelächelt.
    »Nein, nichts dergleichen. Na ja, dort unten können schon Tiere sein, aber das ist meine geringste Sorge.«
    »Weil Ihr ein Riese seid.«
    Jetzt lächelte Chert tatsächlich: Ein Riese genannt zu werden war etwas, das ihm wahrscheinlich nie wieder passieren würde. »Vergleichsweise. Aber was ich Euch sagen will, ist: Ich muß eine Entscheidung treffen. Und zwar keine leichte.«
    Der kleine Mann sah ihn jetzt scharf an, so wie Zinnober und die anderen Zunftmeister guckten, wenn ihnen ein heikler, aber möglicherweise lukrativer Auftrag angeboten wurde. Die Dachlinge waren nicht nur
wie
richtige Leute, sie waren richtige Leute, das wußte Chert jetzt; sie waren genauso kompliziert und lebendig wie die Funderlinge oder sonst irgend jemand. Aber warum waren sie so klein? Wo kamen sie her? Waren sie von den Göttern bestraft worden, oder steckte da eine noch seltsamere Geschichte dahinter?
    Der Gedanke an die Götter und ihren berüchtigten Hang zur Rachsucht drängte sich Chert im Moment besonders auf.
    »Das Problem ist folgendes«, erklärte er Giebelgaup. »Ich habe Euch ja schon gesagt, daß Orte wie der Tempel ... daß manche Funderlinge vielleicht nicht wollen würden, daß Ihr dort seid. Wir haben es nicht so gern, daß Fremde die Dinge sehen, die uns am allerwichtigsten sind.«
    »Versteht sich«, sagte der kleine Mann.
    »Na ja, ich glaube, Flint ist noch tiefer in ... in das eingedrungen, was wir die Mysterien nennen. Und ich
weiß,,
daß viele Funderlinge sehr aufgebracht wären, wenn ich einen Fremden dorthin mitnehmen würde. Das war ein Grund, warum ich selbst Flint nicht mal in die Nähe dieses Orts mitgenommen habe, obwohl er mein Ziehsohn ist.«
    »Dann ist für mich die Zeit gekommen, nach Haus zurückzukehren.« Es klang, als wäre Giebelgaup ganz froh darüber, und das erstaunte Chert nicht: Je länger sie hier unten herum gewandert und je tiefer sie hinabgestiegen waren, desto beklommener hatte der kleine Mann gewirkt. Tatsächlich schien er bei der Aussicht, daß seine unterirdische Reise zu Ende war, regelrecht zu strahlen, was Chert in eine noch unangenehmere Lage brachte.
    »Aber ich habe Angst, zuviel Zeit zu verlieren — wenn der Junge dort unten ist, dann schon seit Stunden. Es ist sehr gefährlich dort, Giebelgaup. Und sehr seltsam. Ich ... ich habe große Angst um ihn.«
    »Und ...?« Der Dachling runzelte verwirrt die Stirn, dann wichen seine winzigen Brauen allmählich wieder auseinander, doch die Erkenntnis beglückte ihn sichtlich nicht. »Ihr wollt mich mit in jene Tiefe nehmen?«
    »Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, wie ich sonst seiner Spur folgen soll — es gibt dort viele Wege, viele Möglichkeiten. Es tut mir leid. Aber ich werde Euch nicht gegen Euren Willen mitnehmen.«
    »Ihr seid von uns der weitaus Stärkre.«
    »Das spielt keine Rolle. Ich nehme Euch nicht gegen Euren Willen mit.«
    Giebelgaups Stirn legte sich wieder in Falten. »Ihr sagtet doch, das sei ein heilger Ort — Fremdlingen untersagt?«
    »Deshalb habe ich ja gesagt, ich hätte eine schwere Entscheidung zu treffen. Aber ich habe beschlossen, lieber die

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