Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Gesetze zu brechen und Euch in die Mysterien mitzunehmen, als meinen Jungen dort noch länger allein zu lassen — wenn Ihr denn bereit seid mitzukommen. Außerdem ist der Junge ja auch kein Funderling, also sind die Gesetze schon ganz schön angerissen und angebrochen, wie wir sagen.«
    Der kleine Mann seufzte, ein winziges Geräusch wie das Piepsen einer ängstlichen Maus. »Meine Königin trug mir auf, Euch zu helfen, nasenweis und überhaupt. Wie könnte Giebelgaup, der Bogenschütz, nicht alles tun, was seine Herrin ihm befiehlt?«
    »Die Alten der Erde mögen Euch und Eurem gesamten Volk Gutes schenken«, sagte Chert erleichtert. »Ihr seid wirklich so tapfer, wie Ihr immer sagt.«
    »Das könnt Ihr getrost beschwören.«

    Ihre Wege kreuzten sich an der Tür zur Waffenkammer. Vansen hatte beide Arme voller Poliertücher, die er sich ausgeborgt hatte, da die Tüchervorräte der Garde ausgegangen waren, und er hätte sie fast nicht gesehen, ja sie sogar beinah über den Haufen gerannt. Erstaunlicherweise schien sie allein. Sie trug ein schlichtes langes Hemd und Hosen wie ein Mann, und Ferras Vansen war so verdutzt, das Gesicht, das den ganzen Tag vor seinem inneren Auge gestanden hatte, in Fleisch und Blut vor sich zu sehen, daß er es zunächst gar nicht glauben konnte.
    »H-Hoheit«, sagte er schließlich. »Hoheit, das müßt Ihr nicht tun. Das schickt sich nicht.«
    Prinzessin Briony war dabei, die Tücher, die er fallen gelassen hatte, aufzuheben, und ihre Miene war auf so entspannte Weise zerstreut, daß es fast schon beleidigend war — ganz offensichtlich erkannte sie ihn außerhalb des formellen Rahmens einer Audienz oder Ratsversammlung nicht. Ihre Züge spannten sich augenblicklich an, und die Brauen hoben sich zum konventionellen Ausdruck höflicher Überraschung. »Hauptmann Vansen«, sagte sie kühl. Er sah ihre Wachen — zwei seiner eigenen Männer — über den Hof herbeieilen, als könnte ihr eigener Hauptmann eine Gefahr für die Prinzessin darstellen.
    »Verzeihung, Hoheit.« Er tat sein Bestes, ihr aus dem Weg zu gehen, was nicht nur deshalb schwierig war, weil sie die Hand an der Türklinke hatte, sondern auch wegen der Tatsache, daß er voll beladen war und sie nicht. Er schaffte es nur, indem er abermals ein paar Tücher fallen ließ, als er in die Waffenkammer zurückwich. Er verbarg seine unendliche Verlegenheit, indem er sich bückte, um die Tücher aufzusammeln.
    Oh, Götter! Selbst wenn wir uns fast von gleich zu gleich treffen, ganz allein in der Tür zur Waffenkammer, verwandle ich mich auf der Stelle in einen Bauerntölpel.
    Ein zweiter, nicht minder unangenehmer Gedanke lautete, daß es vielleicht auch ganz gut so war. 
Je schneller du über diese Idiotie hinwegkommst, desto besser,
machte ihm ein vernünftigerer Teil seiner selbst klar.
Wenn Beschämung das schafft, dann ist Beschämung etwas Gutes.
    Er sah verstohlen zu ihr auf, sah die Mischung aus Belustigung und leisem Ärger auf ihrem Gesicht. Er hatte es schon wieder geschafft, ihr den Weg zu versperren.
Aber ich werde nie drüber wegkommen,
dachte er, und in diesem schmerzlich glasklaren Moment konnte er sich nicht vorstellen, sich je irgendeiner Sache sicherer zu sein, nicht der Liebe zu seiner Familie, nicht seiner Treue zur Garde, nicht einmal seiner Ergebenheit den allwissenden Göttern gegenüber.
    Prinzessin Briony schien plötzlich zu merken, daß sie über seine Verwirrung lächelte; die Rückverwandlung ihres Gesichts in eine Maske verhaltener Höflichkeit ging erstaunlich schnell und war mehr als betrüblich.
So ein lebendiges Gesicht,
dachte er.
    In den letzten Wochen aber hatte sie es langsam und gezielt zu etwas anderem geformt — dem Marmorgesicht einer Büste, einem Ding, wie es jahrzehntelang in einer der verstaubten Festungshallen stehen könnte. »Braucht Ihr irgendwelche Hilfe, Hauptmann Vansen?« Sie deutete mit dem Kinn auf ihre beiden eilfertigen Beschützer. »Einer dieser Garden könnte Euch tragen helfen.«
    Sie bot ihm eine ihrer beiden Wachen an, als Hilfe beim Transport von ein paar Lappen? War das echte Boshaftigkeit oder einfach nur die schnippische Art eines jungen Mädchens? »Nein, Hoheit, ich schaffe es schon. Danke.« Er beugte das Knie und verneigte sich leicht, paßte aber gut auf, daß er seine Last nicht wieder fallen ließ. Sie verstand den Wink und trat zur Seite, so daß er die Flucht ergreifen konnte, wobei er allerdings erst die beiden keuchenden Wachen mit einem finsteren

Weitere Kostenlose Bücher