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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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gewundenen Abstieg folgten, der unter dem Namen Kaskadentreppe bekannt war. Die weite Spirale, deren Durchmesser ganz oben größer war als die Funderlingsstadt selbst, wurde jetzt immer enger, die Luft merklich wärmer. Eine Ader von weißem Quarz im Kalkstein direkt über ihnen schien sich wellenförmig zu bewegen wie eine Schlange. Die letzten Wandlampen hatten sie längst hinter sich gelassen; Chert war froh, daß er am Salzsee noch Koralle geholt hatte. »Ich glaube, die Tempelbrüder kommen hier herunter, um Opfergaben darzubringen, und hier finden auch die Zeremonien statt, durch die wir vom Kind zum Mann oder zur Frau werden; dafür kommen wir natürlich alle hierher.« Obwohl er im Moment andere Sorgen hatte, fragte sich Chert, wie viele junge Funderlinge die Tempelbrüder wohl dieses Jahr hier herabbringen würden. Natürlich würde er sie alle kennen — die Funderlingsstadt war eine kleine, von Verwandtschaftsbanden geprägte Gemeinschaft, und es gab nie mehr als etwa zwei Dutzend junge Leute, die in der Nacht, da die Mysterien offiziell gefeiert wurden, das richtige Alter erreicht hatten. Im Gehen erzählte er Giebelgaup ein wenig von seiner eigenen Initiationszeremonie vor so vielen Jahren — von dem seltsam leichten Gefühl im Kopf, das durch das Fasten gekommen war, von den gruseligen Schatten und Stimmen und, was das Erschreckendste und zugleich Erregendste von allem gewesen war, jenem kurzen Blick auf den Leuchtenden Mann, von dem sich der junge Chert nicht sicher gewesen war, ob es ihn wirklich gab. Tatsächlich erschien ihm jetzt vieles an diesem Erlebnis wie ein Traum.
    »Der Leuchtende Mann?« fragte Giebelgaup.
    Chert schüttelte den Kopf. »Vergeßt, daß ich das gesagt habe. Die anderen werden es schon schlimm genug finden, daß ich Euch überhaupt an diese heiligen Stätten mitgenommen habe.«
    Als sie von der Kaskadentreppe in eine Naturhöhle voller hoher, stundenglasförmiger Säulen kamen, ging Chert weiter, bis sie vor dem einzigen Bestandteil der Höhlenkammer standen, der nicht natürlichen Ursprungs war. Es war eine Steinwand, noch mächtiger als das Seidentor, mit fünf großen bogenförmigen Öffnungen, jede ein schwarzes Loch, das das Korallenlicht nicht auszuleuchten vermochte.
    »Fünf?« sagte Giebelgaup. »Hat Euer Volk nichts Beßres zu tun, als lauter Gänge Seit an Seit zu graben?«
    Chert sprach immer noch leise, obwohl die Tatsache, daß die Wandfackeln hier unten nicht brannten, darauf hindeutete, daß sich die Tempelbrüder, wenn sie denn heute hiergewesen waren, bereits wieder entfernt hatten. »Das hat mit der Last des Steins zu tun. Wenn man einen Stollen gräbt, gibt es einen Bogen im gewachsenen Fels darüber — ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, wir Funderlinge haben dafür ein altes Funderlingswort,
dh'yok.
Das ist nur ein kleiner Bogen, und irgendwann wird der Stein darüber den Stollen wieder eindrücken.«
    »Wind vom Höchsten Punkt!« fluchte Giebelgaup und floh rasch von Cherts Schultergelenk in den vermeintlichen Schutz des Kopfes, was Chert ganz ordentlich am Hals kitzelte. »Der Stein erdrückt einen?«
    »Auch das passiert nicht von jetzt auf gleich, keine Angst. Aber wenn man mehrere Stollen nebeneinander gräbt, ist der
dh'yok,
der ... der Bogen im Stein viel größer und tragfähiger, und selbst wenn er schließlich unter dem Gewicht des darüberliegenden Steins einzubrechen beginnt, erwischt es zuerst die äußeren Stollen, so daß uns viel Zeit bleibt, die inneren abzustützen und irgendwann schließlich gar nicht mehr zu benutzen.«
    »Ihr meint, eines Tags wird der Berg einfach alles zermalmen? All Euer mühsam Gebautes? All Euer Grabwerk?« Seine Empörung über eine solche Behandlung der Funderlinge schien fast größer als seine Angst um sich selbst.
    Chert lachte freundlich. »Eines Tages, ja. Aber das ist noch lange hin — Steinjahre hin, wie wir sagen. Es sei denn, den Göttern käme es in den Sinn, uns ein Erdzittern zu schicken — eins, das viel stärker ist als alle bisherigen. Aber ansonsten werden selbst diese äußeren Stollen noch unbeschadet sein, wenn die Enkelkinder derjenigen, die jetzt in die Zünfte eintreten, hier heruntergebracht werden, um den ... für die Initiationszeremonie.«
    Seine Erklärungen schienen Giebelgaup nicht sonderlich zu beruhigen. Er entspannte sich erst, als Chert, scheinbar aufgrund einer sicherheitsbewußten Entscheidung, die mittlere Öffnung nahm und darauf verzichtete, dem Dachling den

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