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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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rechte Hand natürlich, Prinz Barrick.«
    Er mußte schon fast lächeln. »Natürlich. Aber seien wir ehrlich. Ich bin so eine Art ... wie heißt das Ding vorn am Schilf? Galeerenfigur?«
    »Galionsfigur?«
    »Ja. Ich erwarte nicht, daß die Männer auf mich hören, Hierarch — ich habe noch keine Schlachtenerfahrung. Im Gegenteil, ich hoffe, von Tyne und den anderen zu lernen. Falls die Götter wollen, daß ich heil wiederkomme, meine ich.«
    Sisel sah ihn merkwürdig an — hatte vielleicht einen falschen Ton in Barricks frommen und bescheidenen Worten bemerkt —, war aber erleichtert und wollte ganz offensichtlich nicht weiter darüber nachdenken. »Ihr zeigt große Weisheit, mein Prinz. Ihr seid wahrlich der Sohn Eures Vaters.«
    »Ja, das bin ich wohl.«
    Sisel war immer noch irritiert von dem, was da hinter Barricks Worten schwang. »Das sind keine natürlichen Geschöpfe, mit denen wir es zu tun haben, mein Prinz. Wir sollten bei dem, was wir tun, keine Bedenken haben.«
    Wir?
»Wie meint Ihr das?«
    »Diese ... die Zwielichtler, wie sie so abergläubisch genannt werden, die Alten. Sie sind unnatürlich — Feinde der Menschen. Sie würden uns nehmen, was unser ist. Man muß sie vernichten wie Ratten oder Heuschrecken, ohne Skrupel.«
    Barrick konnte nur nicken.
Ratten. Heuschrecken.
Er ließ sich beweihräuchern. Die Düfte des Rauchs erinnerten ihn an die Gewürzstände auf dem Marktplatz, und plötzlich wollte er wieder dort sein, mit Briony, so wie früher, wenn sie sich für einen köstlichen, ausgelassenen Moment davongestohlen hatten und der halbe Haushalt sie hektisch suchte.
    Nachdem er das Zeremonialgewand abgelegt hatte, folgte Barrick den Rittern und Edelleuten zum Tempelausgang. Tyne Aldritch und die anderen wirkten gestärkt und erquickt, als kämen sie gerade von einem Bad und einem Schläfchen, und Barrick war neidisch darauf, daß ihnen der Besuch des Tempels Kraft und Trost gegeben hatte, während er nichts dergleichen spürte.
    Graf Tyne sah Barricks düstere Miene und verlangsamte seinen Schritt, bis sie nebeneinander gingen. »Die Götter werden uns beistehen, keine Angst, Prinz Barrick. Die Kreaturen sind unheimlich, aber sie sind aus Fleisch und Blut. Und unter unseren Schwerthieben wird ihr Blut fließen.«
    Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?
wollte er fragen — schließlich war der einzige Mensch in ganz Südmark, der irgendwelche Erfahrungen mit dem Feind hatte, dieser Soldat, Vansen, der zwar tatsächlich miterlebt hatte, wie eine solche Schattenweltkreatur getötet worden war, allerdings eingestandenermaßen nur eine kleine und nicht sehr gefährliche, der aber andererseits von einem wesentlich größeren Ungeheuer angegriffen worden war, gegen das ein halbes Dutzend Männer nichts vermocht hatten, nicht einmal, als es sich einen von ihnen holte, wie sich ein Kind eine Süßigkeit von einer unbewachten Platte schnappt.
    Aber auch diese Gedanken behielt Barrick für sich.
    »Die Ungeheuer werden zweifellos furchterregend sein«, sagte Tyne leise. Sie blieben stehen, während die Tempeldiener das schwere Bronzeportal aufstießen und der hereindringende Seewind in Haare und Kleider fuhr und die Kerzen fast ausblies. »Denkt daran, Hoheit, es ist wichtig, daß wir vor den Männern Beherztheit zeigen.«
    »Die Götter werden uns gewiß die nötige Beherztheit schenken.«
    »Ja«, sagte Tyne und nickte resolut. »Mir haben sie sie geschenkt, als ich jung war.«
    Barrick ging plötzlich auf, daß Tyne Aldritch, obwohl doppelt so alt wie er, doch wesentlich jünger war als König Olin. Er war immer noch jung genug, um Ambitionen zu haben — vielleicht hoffte er ja, daß Barrick sich, falls sie alle lebend zurückkämen, seiner als eines treuen Freundes und Mentors entsinnen würde und daß sein Stern noch höher steigen würde, wenn Barrick Eddon eines Tages König wäre. Tynes Tochter war schon fast im heiratsfähigen Alter. Vielleicht träumte er ja von einer Verbindung mit dem Königshaus.
    Bis zu diesem Moment waren für Barrick die Erwachsenen kaum je etwas anderes gewesen als eine undifferenzierte Masse, jedenfalls die, die noch keine Tattergreise waren. Jetzt musterte er erstmals das schlachtennarbige Gesicht des Grafen von Wildeklyff und fragte sich, wie Tyne wohl die Welt sah, was er dachte, hoffte und fürchtete. Barrick sah sich um, betrachtete Sivney Fiddicks, Ivar von Silverhalden und die anderen Edelleute, die hocherhobenen Hauptes in dem bleichen Sonnenlicht standen,

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