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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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sei denn, Hendon Tolly glaubt ebenfalls die Hand des Autarchen im Spiel und befindet, daß er es sich nicht leisten kann, zuviel Aufhebens zu machen ...« Sie atmete zittrig durch, um Magen und Verstand zu beruhigen. »Ich weiß nur, daß es alles noch schlimmer macht, zu einem Zeitpunkt, da ich das gar nicht für möglich gehalten hätte.« Im Reden nahm Briony ihr Tintenfaß und stellte es in die Schublade, packte dann Löschsand und Siegelwachs ebenfalls weg.
    »Was macht Ihr?« fragte Brone. Jetzt erst bemerkte sie die dunklen Ringe unter seinen Augen, die Müdigkeit in seinem verquollenen Gesicht. Er hatte wohl nicht mehr als ein, zwei Stunden geschlafen.
    »Nur diese Sachen wegräumen, Ich wollte jemandem einen Brief schreiben, aber jetzt hat sich gezeigt, daß das ein sinnloses Unterfangen ist.« Sie hielt kurz inne. »Tot — Zoria, bewahre uns! Armer Gailon. Ich hätte nie gedacht, daß ich das einmal sagen würde ...«
    Zuerst dachte sie, daß Avin Brone aus irgendeinem Grund an ihrem Stuhl rüttelte — daß er wütend war und es nur überspielt hatte —, doch dann bemerkte sie, daß er ein paar Schritt von ihr entfernt stand und selbst wankte. Tatsächlich schien die ganze Welt zu wackeln. Eine Bank hüpfte wie ein nervöses Pferd über den Boden. Eins ihrer Schmuckkästchen rutschte vom Tisch und krachte auf den Steinboden. Am anderen Ende des Raums setzte sich Moina im Bett auf und sah sich verschlafen um. Bis das Beben schließlich aufhörte, war auch die kleine Anazoria wach und weinte vor Angst. Selbst Rose schien halb wachgerüttelt.
    »Nur ein Erdbeben«, sagte der Konnetabel und sah stirnrunzelnd auf seine nicht aus der Ruhe zu bringende Nichte, die nur gegähnt und sich dann wieder umgedreht hatte. Doch sein wettergegerbtes Gesicht war blaß geworden. »Ich habe als Junge schon einmal eins erlebt. Jetzt ist es vorbei.«
    Brionys Herz raste. »Wirklich, Graf Brone? Oder ist es so, daß die Welt ihrem Ende entgegengeht?«
    »Ich muß sagen, ich habe sie mein Lebtag noch nie so aus den Fugen gesehen«, gab er zu.

    Der Herr des Heißen, Nassen Steins hatte kein Gesicht, jedenfalls konnte Chert keins sehen, nur vages, rot geädertes Dunkel zwischen den gigantischen Schultern und der leuchtenden Krone. So groß wie ein Berg, sah er von seinem Thron herab, sagte aber nichts. Das einzige Geräusch in dem riesigen Thronsaal war das dumpfe Ächzen sich verschiebender mächtiger Steinmassen — die Wurzeln der Welt, noch immer lebendig und unruhig, so unvorstellbar lange nach den Tagen des Erkaltens.
    Schließlich konnte Chert nicht mehr. »Bitte, Großvater, bestrafe mich nicht!«
    Das Ächzen hielt an, doch die mächtige Gestalt sagte nichts.
    »Ich wollte nichts Böses. Ich bin hier eingedrungen, aber ich hatte nichts Böses im Sinn!«
    Das vage Dunkel betrachtete ihn. Eine Hand, so groß wie eine Wand, hob sich und spreizte sich über ihm — eine Segnung? Ein Fluch? Oder wollte sein Gott ihn einfach zerquetschen wie eine Fliege? Das Ächzen hörte einen Moment auf, setzte dann wieder ein, und erstmals hörte Chert darin so etwas wie Worte, einen undeutlichen, knirschenden Sprechrhythmus.
    Er spricht mit mir,
wurde Chert bewußt.
Aber es ist zu langsam, zu tief, ich kann es nicht verstehen!
    Zu langsam ...zu tief ... Das Licht flackerte jetzt, und die mächtige Gestalt war kaum zu erkennen. Zu tief ...Er konnte die Worte nicht verstehen. Sein Gott sprach mit ihm, aber er konnte nicht verstehen, was er sagte.
    »Sag es mir!« rief er, als das Dunkel über ihn hereinbrach. »Sag es mir so, daß ich es verstehen kann ...!«
    Aber sein Gott hatte ihm nichts Verständliches zu sagen.
     
    Zitternd erwachte er aus dem beängstigenden Traum — wenn es denn wirklich ein Traum gewesen war. Im ersten Moment wußte er nicht, wo er war, aber der Körper des Jungen in seinen Armen brachte die Erinnerung zurück. Nein, er zitterte nicht nur, es schüttelte ihn regelrecht.
    So kalt
... dachte er, merkte jedoch gleich darauf, daß die Luft in Wirklichkeit heiß war, so heiß, daß sie ihm den Schweiß von der Haut saugte. Trotzdem war da dieses unangenehme Frösteln, ein eisiges Unbehagen bis ins Mark, und es schüttelte ihn immer weiter. Und was das schlimmste war, die Stimme des Gottes grollte immer noch in seinen Ohren.
    Nein, die Erde selbst grollte — eins dieser Beben, die sein Volk einen Ruhelosen Alten nannte, selten, aber nicht außergewöhnlich. Chert selbst zitterte gar nicht — der Felsgrund unter ihm

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