Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
kräftigem Schwarz, verloren jedoch bereits ihren Glanz.
    »Was sind das für Kreaturen?« fragte jemand.
    »Gräßliche«, sagte jemand anders, und es stimmte.
    »Die Wesen, die die Geräusche gemacht haben«, erklärte Vansen. »Hört doch.« Und einen Moment lauschten alle der Stille.
    »Aber ... was hat das zu bedeuten?« fragte Barrick. »Warum?«
    »Weil sie uns überlistet haben«, sagte Vansen. Unter den Blutspritzern war sein Gesicht fast so bleich wie die grotesken Gestalten zu seinen Füßen. »Nur einige wenige haben hier auf dem Hügel auf uns gewartet — ein paar Krieger, die die Klingen mit uns kreuzen sollten, ein paar unheimliche Gestalten zur Täuschung, ein paar von diesen hier, um Lärm für Hunderte zu machen.«
    »Götter! Also doch ein Hinterhalt?« Barrick sah sich um, schon halb darauf gefaßt, ganze Heerscharen unheimlicher Gesichter dämonisch grinsend im Geäst auftauchen zu sehen.
    »Schlimmer«, sagte Vansen. »Schlimmer noch. Weil sie uns zu einigen wenigen hier aufgehalten und uns einen ganzen Tag gestohlen haben, während der Rest ihres Heeres um uns herumgezogen ist.«
    »Um uns herum ...?«
    »Ja. Gen Südmark.«

34

Auf einem Feld in Marrinswalk
    Süßer Duft von Blumen:
Sie kann nicht innehalten, nicht schreien,
Sie kann nicht wachsen,
Ihr Gebein hat der Bach.

Das Knochenorakel
    Es war eine gräßliche, nahezu schlaflose Nacht gewesen. Briony war schon eine Stunde vor Morgengrauen aufgestanden, und in ihr tobte eine solche Wut, daß sie kaum stillsitzen konnte — Wut auf Hendon Tolly natürlich, aber auch auf sich selbst, weil sie auf so törichte Weise die Beherrschung verloren hatte, auf Barrick, weil er nicht bei ihr war, auf alles.
    Und ich habe dagestanden und vor allen Leuten mit dem Schwert auf ihn eingefuchtelt, und alle wußten, daß er keinen Finger gegen mich erheben konnte — gegen seine Regentin, eine Frau. Ein ... Mädchen. Und alle wußten, daß er es auch gar nicht zu tun brauchte, weil er sowieso gewonnen hatte. Wie konnte ich mich so zum Narren machen!
    Eine ganze Ewigkeit konnte sie nichts weiter tun, als mit Mühe am Schreibpult sitzen zu bleiben — sie war ganz kribbelig vor Scham und Verlegenheit, obwohl sie die einzig wache Person im Raum war. Sie wollte wegrennen, sich irgendwo in der riesigen Burg verkriechen, bis alle vergessen hatten, was passiert war. Aber natürlich würde es niemand vergessen, und sie konnte nicht wegrennen. Sie war eine Eddon. Sie war die Prinzregentin. Über das gestrige Mahl würden sie noch jahrelang reden.
    Ihr blieb nichts, als weiterzumachen. Gar nichts. Briony nahm ihre Schreibfeder, tunkte sie in die Tinte und fuhr mit dem Brief an ihren Vater fort.
    Ich habe seit Kendricks Tod nichts mehr von Dir gehört, und wie ich schon sagte, kann ich nur beten, daß Du meinen Brief mit der schrecklichen Nachricht bekommen hast und es nicht jetzt erst erfährst. Ich vermisse ihn, lieber Vater, ich vermisse meinen großen Bruder so sehr. Als Ältester war er immer überzeugt, daß er recht hatte, und das war natürlich manchmal ärgerlich, aber ich glaube aufrichtig, daß er sich jeden Tag bemüht hat, das Richtige und Rechtschaffene zu tun. Er wollte wie Du sein, das war der Grund. Schon ehe er Regent wurde, benahm er sich stets wie jemand, der eines Tages herrschen wird, der die Bedürfnisse des geringsten seiner Untertanen ebenso wichtig nimmt wie die Forderungen seiner mächtigsten Verbündeten.
    Aber das waren natürlich die Dinge an Kendrick, die alle in Erinnerung behalten werden. Ich, wenn ich an ihn denke, werde immer vor mir sehen, wie finster und wütend er guckte, wenn Barrick und ich ihn neckten, wie er aber schließlich doch jedesmal nachgab und herzlich mitlachte. Wie kommt es nur, daß ihr, Du und Kendrick, das beide konntet: eure eigenen Schwächen erkennen und eingestehen, sogar darüber lachen, während Barrick und ich es nicht können?
    Da ist natürlich noch mehr, was ...
    Sie hielt inne. Das Bild, wie Kendrick so tat, als wäre er böse auf sie, während er gleichzeitig das Lächeln unterdrücken mußte, stand plötzlich so lebhaft vor ihr, daß sie einen Moment lang nur dasitzen und lautlos weinen konnte. Rose Trelling regte sich in ihrem Bett am anderen Ende des Zimmers, murmelte etwas, schlief dann wieder ein. Anazoria, Brionys jüngste Dienerin, gerade zehn Jahre alt, schnarchte wie ein alter Hund auf ihrem kleinen Strohsack am Boden. Es war seltsam, inmitten all dieser schlafenden Mädchen als einzige wach

Weitere Kostenlose Bücher