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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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begraben. Als er sich zwingen wollte, sich zu bewegen, ging es nicht, weil etwas Dunkles auf ihm lag, ihm die Lider zudrückte, die Sinne nahm.
     
    Er erwachte aus dem Schlaf der Erschöpfung und fand sich Auge in Auge mit dem leibhaftigen Horror.
    Etwas berührte ihn an Kinn und Wange: Eine kleine, aber gräßliche Fratze starrte ihn aus nächster Nähe an, geblähte Nüstern, Fangzähne, ledrige schwarze Haut. Chert quiekte — für mehr reichte sein Atem nicht — und wollte das gräßliche Ungeheuer wegschlagen, aber er lag auf dem Bauch und etwas nagelte seine Arme fest.
    »Dämon!« stöhnte er und versuchte sich zu befreien. Das Ungeheuer wich zurück oder jedenfalls seine gräßliche Fratze, aber da war immer noch etwas, das an seinem Hals kratzte.
    »Hübsch wohl nicht eben«, sagte eine Stimme, »doch hat mich selbge brav getragen. Den Schimpf, scheint mir, verdient sie nicht.«
    Chert hielt verdutzt inne, fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte oder im Stollenlabyrinth eines Traums gefangen war. »Giebelgaup?«
    »Ganz recht.« Gleich darauf kletterte der kleine Wicht von Cherts Schulter in sein Gesichtsfeld.
    »Warum kann ich mich nicht bewegen? Und was war das für eine Kreatur?«
    »Was erstres anbelangt, so liegt der Junge auf Euch, was Eure Arme wohl behindert. Die Kreatur, wie Ihr Euch ausdrückt ... nun ja, ich nenn sie eine Flattermaus. Ich bin auf ihr hierher geritten.«
    »Eine Flatt ... eine Fledermaus?«
    »Das wird's wohl sein.« Etwas Dunkles huschte an Cherts Gesicht vorbei. »Da geht sie hin«, sagte Giebelgaup ein wenig traurig. »Entschwunden, vor Angst, daß Ihr Euch auf sie wälzt.« Er schüttelte den Kopf. »Ein schwierig, zapplig Ding, so eine Flattermaus, jedoch ein Reitvergnügen ohnegleichen, wenn sie erst einmal willig ist.«
    »Ihr seid auf einer Fledermaus geritten?«
    »Wie hätt ich sonst mich über jenes Silberwasser mit seinem üblen Ruch hinwegbewegen sollen?«
    Chert wand sich vorsichtig unter Flint heraus, ließ den Jungen so behutsam wie möglich auf die Uferkiesel gleiten.
    »Wie steht's um Euren Jungen?« fragte Giebelgaup.
    »Er lebt, mehr weiß ich nicht. Ich muß ihn hier wegschaffen, aber ich kann ihn nicht tragen.« Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »So schön es ist, Euch zu sehen, dabei seid Ihr keine große Hilfe. Und jetzt, wo Eure Fledermaus verschwunden ist, sitzt Ihr ebenfalls hier fest.« Es schien alles so unfaßbar traurig. Chert saß im Kies und starrte auf das Meer der Tiefe hinaus.
    »Wenn Ihr erklärt, wie
Ihr
hierher gelangt seid, dann können jene Tempelmänner, die mir gefolgt, vielleicht herüberkommen und Euch tragen helfen.«
    »Tempelmänner ...?« Er sah auf. Da waren Gestalten am jenseitigen Ufer des Quecksilbermeers, kleine, dunkle Schemen auf dem riesigen Felsbalkon. Cherts Herz tat einen Satz. »Oh, Giebelgaup, ihr habt sie hergebracht! Die Alten mögen Euch segnen, Ihr habt sie tatsächlich hergebracht!« Er legte die Hände wie einen Trichter an den Mund, wollte rufen, mußte husten, versuchte es wieder. »Hallo! Nickel! Seid Ihr's?«
    Die Stimme des Tempelbruders drang zu ihm herüber, schwach, aber eindringlich.
»Im Namen der Alten, wie seid Ihr da hinübergekommen?«
    Chert wollte antworten, stutzte. Als er dann reagierte, schwang Erstaunen in seiner Stimme mit, denn der Gang, den er benutzt hatte, mußte doch wohl ein Verbindungsweg der Tempelbrüder sein. »Soll das — soll das heißen, Ihr wißt nicht ...?«
     
    Das sollte jedoch nicht die einzige Überraschung bleiben — Chert schaffte es auch noch, sich selbst zu verblüffen. Obwohl er seinen Rettern sehr dankbar war und zudem von klein auf gelernt hatte, ihrem Orden mit Respekt zu begegnen, beantwortete er, als er schließlich zum Tempel zurückgestolpert war, sämtliche Fragen der Brüder nach seinem Unterfangen und nach dem Leuchtenden Mann so ehrlich wie möglich, sagte aber kein Wort von dem Spiegel und auch nichts über Flints Herkunft.
    Wenn ich ihnen erzähle, wo der Junge herkommt, lassen sie ihn nicht mehr weg.
Da war er sich ganz sicher, obwohl er nicht wußte, warum. Die Brüder waren betroffen und auch ein wenig ungehalten, weil der Junge einfach in die Mysterien eingedrungen war, aber ihr Ärger hielt sich doch in Grenzen. Chert wußte, diesen Teil der Wahrheit zu verschweigen, war selbstsüchtig, vielleicht sogar töricht und gefährlich, aber Opalia wartete zu Hause auf ihn und fürchtete inzwischen sicher nicht mehr nur um den

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