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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jungen, sondern auch um ihren Mann, und er konnte doch nicht zu ihr zurückkehren, nur um ihr zu sagen, Flint werde im Tempel gefangengehalten.
    Die Brüder führten ihn lediglich in den Vorraum des Tempels, jene mächtige äußere Felskammer, die die Bewohner der Funderlingsstadt an einigen wenigen hohen Feiertagen sehen durften. Schon Cherts sorgsam zurechtgestutzte Version der Geschichte veranlaßte sie, den Jungen gründlich zu untersuchen, während sie sich vergeblich bemühten, ihn zu sich zu bringen. Flint hatte keine sichtbaren Verletzungen. Auf seiner blassen Haut war nirgends eine Beule oder auch nur ein blauer Fleck zu finden, aber nichts vermochte ihn aus seinem tiefen Schlaf zu wecken. Selbst der runzlige, flackeräugige Großvater Sulphur, dessen prophetische Träume anscheinend von Dachlingen und von irgendeinem Geschehnis am Meer der Tiefe gekündet hatten, kam, von zwei jungen Tempelbrüdern gestützt, um Flint in Augenschein zu nehmen, was Chert so nervös machte wie eine Kletterpartie auf einer Halde von losen Erzabfällen. Doch der Greis verschwand wieder, nachdem er das kahle Haupt geschüttelt und gesagt hatte, er sehe und fühle an dem Jungen nichts Besonderes.
    Schließlich erklärte Bruder Nickel: »Wir können nichts mehr für ihn tun. Nehmt ihn mit nach Hause.«
    Chert leerte seinen Becher. Er hatte in den letzten Stunden bestimmt einen ganzen Eimer Wasser getrunken, und jeder Tropfen war ihm wie ein Geschenk erschienen. »Allein kann ich ihn nicht tragen.«
    »Wir geben Euch einen Bruder mit, dann könnt Ihr den Jungen auf einer Trage zu Eurem Haus bringen.«
    »Mich dünkt, Freund Chert, ich werd auf jener Trage reiten«, sagte Giebelgaup mit seinem hohen Stimmchen. »Besser, als Eure Tasche, da nicht so muffig, Ihr verzeiht, und besser auch als jene Flattermaus, die doch ein wenig knochig war.«
    Nickel starrte den Dachling so mißtrauisch an, als wäre er ein sprechendes Tier, ging dann aber davon, um den Transport zu organisieren.
    Chert überließ dem jungen Tempelbruder namens Antimon, einem mondgesichtigen, breitschultrigen Burschen, das vordere Ende der Trage und nahm selbst das hintere. Eine stumme Schar von Tempelbrüdern verfolgte ihren Aufbruch. Müde, wie er war, hatte Chert nichts dagegen, das jemand anders voranging und den besten Weg wählte. Er sah auf Flint herab, der bleich und reglos, aber seltsam friedlich dalag, und trotz der Angst um den Jungen überflutete ihn eine neue Welle der Dankbarkeit, Giebelgaup und den Brüdern gegenüber: Immerhin brachte er Opalia das Kind lebend zurück.
    »Ihr seid wirklich auf einer Fledermaus geritten?« fragte er Giebelgaup, der, um nicht versehentlich zerquetscht zu werden, ganz am Kopfende der Trage saß.
    »Ich bin ein Dachrinnenkundschafter. Es gibt kein Tier, das wir nicht meistern und uns zu Diensten machen.« Der Winzling hüstelte und grinste dann. »Und jener Rattling war so langsam, daß ich zu Fuß ihm noch voraus gewesen wäre.«
    »Ich kann nur sagen, ich danke Euch.«
    »Selbge sind durchaus gute Worte, kein Grund, Euch zu entschuldigen.«
    »Ihr wart sehr gut zu uns.«
    »Der Königin zum Ruhme und den Dachlanden zur Ehr.« Er salutierte. »Und Eure Steinwelt war gar nicht so öde, wie ich gedacht. Wenn Ihr nur etwas Sonne, Wind und Regen in jene Löcher schaffen könntet, dann käme ich durchaus noch einmal zu Besuch.«
    Chert lächelte matt. »Ich werde es der Zunft vortragen.«

    Das Erdbeben hatte fast allen Burgbewohnern einen mächtigen Schrecken eingejagt, aber keinen größeren Schaden angerichtet. In der riesigen Burgküche war etwas Geschirr herabgefallen und zerschellt, und eine Dienerin hatte beinah der Schlag getroffen, als eine alte königliche Rüstung im Gang zu den Privatgemächern vom Sockel gekippt und vor ihr auf den Boden gekracht war, ansonsten war nicht viel passiert. Doch auch ohne die Nachricht aus Marrinswalk und das Erdbeben wäre es ein hektischer Vormittag gewesen. Briony war bis nach dem Mittagsläuten pausenlos damit beschäftigt, mit Nynor und Brone die Unterbringung der eintreffenden Truppenkontingente und der vielen herbeiströmenden Stadtbewohner zu organisieren. Die Burg schien zum Bersten voll mit Menschen und Tieren, und der Punkt, an dem niemand mehr aufgenommen werden konnte, war schon fast erreicht.
    Sie stahl sich ein Weilchen davon, um mit ihrer Großtante zu Mittag zu speisen, aber auch das war nicht sonderlich erholsam. Die Herzoginwitwe hatte ebensoviel Angst um Barrick wie

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