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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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an der Wand lehnten, versuchten zu verbergen, daß sie gebannt lauschten. Sie befand, daß es in diesem Fall zu spät war, um irgend etwas anderes zu sagen als die Wahrheit. »Tatsächlich, und das mag Euch meinetwegen gegen mich einnehmen, Elan M'Cory, wollte Gailon mich heiraten — aber ich ihn nicht.«
    »Ich weiß.« Sie klang auf eine kalte Art befriedigt. »Aus Ehrgeiz.«
    »Zweifellos. Doch das hat nicht gereicht, um mein Herz zu gewinnen. Die Götter mögen bezeugen, daß ich niemals einen Ehemann will, der glaubt, mir vorschreiben zu können, wo ich hingehen soll, was ich sagen, wie ich ...« Sie zügelte sich wieder. Was war nur an dem Mädchen, das sie dazu trieb, soviel mehr von sich zu geben, als sie wollte? »Genug. Ich habe ihn nicht getötet, wenn er denn wirklich tot ist. Wir wissen nicht, wer es getan hat.«
    Elan nickte. Sie zog sich den Schleier wieder vors Gesicht. »Jetzt wird ihn keine bekommen, weder Ihr noch irgendeine andere Frau.« Erstmals gab sie ein ersticktes Geräusch von sich, das ein Schluchzen sein mochte. »Der Himmel sei Euch gnädig«, sagte sie leise. Dann drehte sie sich um und ging ohne Knicks oder Abschiedswort davon.
     
    Es wurde in der Tat ein sehr langer Nachmittag, und als die Nachricht von den Leichen auf dem Feld in Marrinswalk zu kursieren begann und mit ihr die Spekulationen über die Identität der Ermordeten, drohte sich der Tag ins Unendliche zu dehnen. Die Auswirkungen der Neuigkeit auf Brionys unmittelbare Regentschaftspflichten waren gering — ein paar Fragen und leise, inoffizielle Bemerkungen von Brone, ein kurzes, formelles Gespräch mit dem Hauptmann des Truppenkontingents aus Marrinswalk, der diesen Augenblick der Beachtung ungemein genoß, und eine Reihe sorgenvoller Erwägungen von Seiten Nynors, der entscheiden mußte, ob er dieses Aufgebot aus Marrinswalk bei den übrigen Festungstruppen einquartieren oder besser separat unterbringen sollte —, aber sie sah doch den meisten Leuten, die im Thronsaal auftauchten, die Beschäftigung mit dem Geschehnis an. Als ob nach ihrem unbeherrschten Ausbruch Hendon Tolly gegenüber nicht alles schon schlimm genug gewesen wäre! Es war so strapaziös, daß sie regelrecht erleichtert war, als Königin Anissas Zofe vor ihr erschien.
    »Selia, richtig?« Jetzt, da Barrick weg war, fiel es ihr schwer, an ihrem Groll auf die junge Frau festzuhalten. »Wie geht es meiner Stiefmutter?«
    »Ganz gut, Hoheit, dafür, daß das Kind bald kommt, aber sie trägt Sorge, daß sie Euch nicht sieht.«
    Brionys Kopf schmerzte, und sie hatte Schwierigkeiten, die Ausdrucksweise des devonisischen Mädchens zu entziffern. »Sie will nicht, daß ich zu ihr komme?«
    Selia errötete aufs reizendste. Wie alles an ihr, war auch ihr Erröten ein Affront gegen jede Frau, die etwas anderes wollte, als nur Männern verlangende Seufzer zu entlocken — so jedenfalls empfand es Briony, deren Abneigung gegen das Mädchen bereits wieder auflebte. »Nein, nein«, sagte Selia. »Ich spreche nicht so gut. Sie wünscht sich sehr, mit Euch zu reden, bevor das Kind kommt.«
    »Ich habe ziemlich viel zu tun, wie meine Stiefmutter weiß ...«
    Die junge Frau beugte sich vor und senkte die Stimme; Brone und Nynor gaben sich noch mehr Mühe, so zu tun, als lauschten sie nicht. »Sie fürchtet, daß Ihr böse auf sie seid. Sie denkt, das ist schlecht für das Kind, schlecht für die Geburt. Zuerst es ging ihr zu schlecht, um mit Euch zu reden, und jetzt ist Euer Bruder weg, der arme Barrick.« Selia schien aufrichtig traurig, was Briony erst recht nicht für sie einnahm.
    Es ist mein Bruder, Mädchen, auf den du's abgesehen hast.
Laut sagte sie: »Ich werde mein Bestes tun.«
    »Sie bittet Euch, am Winterfestabend zu ihr zu kommen und einen Becher Wein mit ihr zu trinken.«
    Gütige Zoria, das ist ja schon in ein paar Tagen,
ging Briony auf.
Wo ist das Jahr geblieben?
»Ich werde mich bemühen, bald zu ihr zu kommen. Sag ihr, ich wünsche ihr nur das Beste.«
    »Ja, Prinzessin.« Die junge Frau machte einen anmutigen Knicks und zog sich zurück. Briony ertappte Brone und Nynor dabei, wie sie ihr nachstarrten, und fand es widerlich, daß selbst alte Männer noch solche Lüstlinge waren. Sie versuchte, sich den Ekel nicht anmerken zu lassen, als sie sich alle wieder der Arbeit zuwandten, aber es war nur ein halbherziger Versuch.
    Die Tagesgeschäfte zogen sich dahin, da nahezu jede Menschenseele in der Burg mit irgendeiner Beschwerde, Sorge oder Bitte vor ihr

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