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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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komisch zu sein etwas, das in seiner Entscheidung lag, und nicht die Tragik seines Lebens. »Etwas Heroisches, Aufbauendes. Etwas aus den Heldensagen vielleicht, ja, über Silas oder einen der anderen Ritter an Landers Hof, das wäre wohl ganz passend. Vielleicht
Die verwundete Maid —
das spielt ja immerhin beim Winterfest.«
    Kettelsmit überlegte. Einen unmittelbaren Nutzen würde ihm dieser Gefallen nicht bringen: Trotz aller glanzvollen Erinnerungen stand Puzzle dem derzeitigen Zentrum der Macht nicht näher als er selbst. Aber andererseits, wenn nun der König doch zurückkehrte? Es waren schon abwegigere Dinge passiert.
    Außerdem — und es kostete Kettelsmit einen Moment, sich dessen bewußt zu werden, weil es ein so ungewöhnlicher Impuls war — mochte er den alten Mann und wollte ihm gern einen Gefallen tun. Schließlich war Puzzle nicht mit solchen künstlerischen Gaben gesegnet wie er, Matt Kettelsmit, auf seinem Gebiet.
    »Nun gut«, sagte er. »Aber viel Zeit gebt Ihr mir nicht gerade.«
    Puzzle strahlte. »Ihr seid ein Pfundskerl, Kettelsmit. Ihr seid ein wahrer Freund. Es braucht nicht so lang zu sein — die Konzentration des Hofstaats läßt nach, wenn das Mahl erst einmal verzehrt ist und alle dem Wein kräftig zugesprochen haben. Ah, ich danke Euch. Darauf müssen wir noch einen trinken.« Er wuchtete den Krug hoch, nahm einen ordentlichen Schluck und reichte das Gefäß dann Kettelsmit, der es beinah fallen ließ, weil seine Aufmerksamkeit bereits wieder aufs Wasser gerichtet war.
    »Die Skimmer haben diese Familie gerettet«, bemerkte er. »Mögen die Götter sich gegenseitig beißen, guckt Euch die Kerle an! Halbnackt bei der Kälte! Diese Skimmer werde ich nie verstehen. Sie müssen Blubber unter der Haut haben wie Robben.«
    »Es ist wirklich kalt«, sagte Puzzle. »Wir sollten hinuntergehen.« Er spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne. »Man sieht nicht mal mehr Landsend vor lauter Nebel. Er ist sogar schon von den Hügeln herab gekrochen, bis ins Vorland. Bald wird er die Stadt verschlucken.« Er schlang die dünnen Arme um den Oberkörper. »Schattenwetter haben wir das früher genannt.« Er wandte sich jäh Kettelsmit zu. »Ihr meint doch nicht, daß es irgend etwas mit den Zwielichtlern zu tun hat?«
    Kettelsmit betrachtete die dichten Nebelschwaden, die sich die nahegelegenen Hügel herabwälzten, Wellen von Weiß, wie das Spiegelbild der windgepeitschten Bucht. »Das hier ist eine Landzunge zwischen der Bucht und dem Ozean. Da gibt es immer Nebel.«
    »Mag sein.« Puzzle nickte. »Ja, natürlich, Ihr habt recht. Wir Älteren ... wenn uns die Kälte in die Knochen kriecht, denken wir an ...« Er wischte sich die Augen: Sie tränten vom Wind. »Laßt uns hinabgehen. In der Küche brennt sicher ein Feuer, da können wir den Wein austrinken und über mein Winterfestlied reden.«

    »Wer ist dein Herr?« fragte Chert.
    Das Mädchen Willow guckte plötzlich verschüchtert — das erste Mal, daß ihr Verhalten ihrem Alter und ihrem Äußeren zu entsprechen schien. »Ich weiß nicht, wie er heißt ... aber ich kenne seine Stimme.«
    Er schüttelte den Kopf. »Hör zu, Mädchen, ich kenne dich nicht und weiß nicht, was dich hierherführt. Ein andermal würde ich vielleicht mitgehen, und sei es nur, um herauszufinden, was hier Seltsames vor sich geht, aber ich habe gerade eine unterirdische Reise hinter mir, nach der selbst der Herr des ... nach der selbst Kernios umfallen und eine geschlagene Woche schlafen würde. Unser Junge liegt drüben im anderen Zimmer, krank, vielleicht sogar sterbenskrank. Meine Frau ist fix und fertig vor Angst um uns beide. Ich kann nicht mit dir gehen, um deinen Herrn zu treffen, schon gar nicht, wenn du mir nicht einmal seinen Namen sagen kannst.«
    Sie wandte ihm das schmale Gesicht zu und sah ihn eine ganze Weile ernst an, als wären seine Worte gar nicht zu ihr durchgedrungen. Ihre schweren Lider sanken herab. Als sie sich wieder hoben, sagte sie: »Habt Ihr den Spiegel?«
    »Den
was?«
    »Den Spiegel. Mein Herr sagt, wenn Ihr nicht selbst kommen könnt, müßt Ihr mir den Spiegel mitgeben.« Sie streckte die Hand aus, so unschuldig und direkt wie ein Kind, das eine Süßigkeit will. Chert musterte sie verdutzt. Sie war groß, selbst für eine Großwüchsige, und recht hübsch, doch obwohl ihr Gesicht gewaschen und ihr Kleid, wenn auch schlicht, so doch sauber war, hatte ihre ganze Erscheinung etwas Schlampiges, so als hätte sie sich im Dunkeln

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