Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Fell bedeckt, so daß sie, bis auf die glitzernden Augen, gar kein Gesicht zu haben schienen. Manche der Feinde wirkten so, als trügen sie ihre eigene Nebelhülle mit sich herum: Selbst in den Momenten, da die Sicht klarer war, konnte man sie nur so vage erkennen wie Spiegelungen in einem trüben Teich, und Lanzenstöße und Schwerthiebe schienen sie nie richtig zu treffen. Auch Wölfe waren dabei, lautlos und schnell und von schrecklicher Intelligenz. Sie hatten bereits mehrere Pferde zu Boden gerissen, indem sie an den Beinen und ungeschützten Bäuchen der Tiere zerrten, bis diese ins Taumeln gerieten und fielen.
    »Dort hinüber!« schrie Tyne. Der Helm des obersten Heerführers war eingedellt, sein Schwert blutig und schartig, aber seine Stimme war immer noch kräftig. Männer folgten ihm ohne Zögern, als er auf einen Klumpen von Kämpfern zusprengte, eine nebelumhüllte Masse von Leibern und aufblitzendem Metall — Mayne Calhart und ein Trupp von Edelleuten aus Silverhalden, drei, vier Dutzend Männer insgesamt, bedrängt von mindestens ebenso vielen Feinden. Tyne hatte offensichtlich vor, die beiden Trupps zu vereinen, um nach Möglichkeit eine geordnete Verteidigung zu formieren, und Barrick folgte ihm nur zu gern. Er war fast die ganze letzte Stunde in einer Art klingender Stille umhergedriftet, in einem rotflimmernden Nebel, in dem er die Kampfgeräusche, Schreckens- und Schmerzenslaute um sich herum zwar hörte, aber nicht wirklich wahrnahm. Jetzt jedoch begann sich der Nebel zu lichten — zumindest der in seinem Kopf, wenn auch die Schwaden, die über den Hang wehten, unverändert dicht waren.
    Als er wieder einigermaßen normal denken konnte, wurde ihm klar, daß er nur aus dieser gräßlichen Suppe herauswollte, ganz gleich wie. Er wollte nicht mehr töten, nicht einmal diese Ungeheuer. Er wollte nicht mehr, daß irgend jemand stolz auf ihn war. Es kümmerte ihn nicht, was irgendwelche Leute dachten.
    Krieg ist Lüge.
Die verstümmelten Sätze formten sich gar nicht richtig in seinem Kopf, waren aber trotzdem da, so wie Bruchstücke von etwas, dessen ursprüngliche Form noch erkennbar war.
Sonst würde niemand. Entsetzlich. Wenn sie es wüßten, würde keiner. Niemals.
    Tyne führte ihre kleine Schar an und erreichte die Zusammenballung von Männern auf der Hügelflanke gerade noch rechtzeitig, um verdutzt sein Pferd zu zügeln, als etwas Riesiges durch die Reihen der Reiter brach und schwer gepanzerte Männer und Pferde beiseite schleuderte wie ein Betrunkener, der eine Wolke von Bienen wegwedelt. Tyne blieb nur ein Moment, um in einer Geste hilflosen Trotzes sein Schwert zu ziehen, ehe der lederhäutige Gigant seine mächtige Keule aus Stein und Holz mit solcher Wucht auf ihn niedersausen ließ, daß Tynes Pferd mit gebrochenem Rückgrat zu Boden sackte, die gebrochenen Beine von sich gestreckt. Von Tyne Aldritch, dem Grafen von Wildeklyff, war nichts mehr übrig als eine kopflose Masse in einer zerquetschten Rüstung.
    Es geschah so schnell und war so entsetzlich, daß Barrick nur mit offenem Mund hinstarren konnte, während Kessel scheute und stolpernd zum Stehen kam. Die Silverhaldener flüchteten vor dem Riesen, wobei Reiter diejenigen niederritten, die ihre Pferde verloren hatten. Die Männer stürzten an dem Prinzen vorbei, und einige riefen ihm zu, er solle kehrtmachen und um sein Leben reiten. Die gewaltige Kreatur stampfte auf ihn zu; die mächtige Keule sauste hin und her, fegte diejenigen aus dem Weg, die nicht rechtzeitig an ihren Gefährten vorbeikamen, schlug sie zu Brei. Einer der fliehenden Ritter verlor die Kontrolle über sein Pferd; das Tier krachte gegen Kessel und drängte ihn seitlich weg. Diesmal erwischte Barrick die Mähne nicht mehr rechtzeitig. Der Aufprall auf den feuchten Boden nahm ihm so gründlich die Luft, daß er im ersten Moment dachte, die Keule des Riesen hätte ihn getroffen, aber der heiße Schmerz in seinem Arm belehrte ihn eines Schlimmeren: Er war noch am Leben, und das Schrecklichste kam erst. Er rollte sich weg und kroch beiseite, um den Hufen zu entgehen, während sein Rappe sich zu fangen versuchte, aber es brachte ihm nur einen winzigen Aufschub.
    Hätte Kessel mir doch den Schädel eingetreten ... Besser als das ...
    Das Ungeheuer stand jetzt über ihm: Zwischen Wülsten und Hautsäcken versunkene Augen starrten aus einem Gesicht herab, das so borstig und faltig war wie das Hinterteil eines wilden Ebers. Die Kreatur war so riesig, daß sie den Himmel

Weitere Kostenlose Bücher