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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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derjenige, den die Götter strafen werden.« Barrick wich Tynes erstauntem Blick aus, indem er Vansen ansah. »Sprecht, Hauptmann. Erläutert uns Euren Plan.«
    Vansen holte tief Luft; er war offensichtlich ebenso erschöpft wie alle anderen. Eine Schnittwunde auf seinem Kieferknochen war wieder aufgegangen; ein feines Rinnsal von Blut wand sich seinen Hals hinab wie eine winzige rote Schlange. »Wir müssen losreiten, wir alle. Wir müssen die Fußsoldaten zurücklassen, mit dem Befehl, so schnell wie möglich nachzukommen. Sonst holen wir die Schattenwesen nie ein. Wer weiß denn, ob sie das Wasser wirklich aufhält? Ich nicht und Graf Rorick, mein Grundherr möge mir verzeihen, schon gar nicht. Wer weiß, ob sie an den Festungsmauern scheitern? Wir müssen die Schattenwesen einholen und zwingen, stehenzubleiben und gegen uns zu kämpfen. Wir müssen versuchen, sie so lange aufzuhalten, bis der Rest unseres Heeres da ist — es ist nichts Schmähliches dabei, uns zurückzuziehen, wenn wir sie erst einmal angegriffen und ihnen ein paar Verluste beigebracht haben, schon gar nicht, wenn nur noch wenige Stunden bis zur völligen Dunkelheit bleiben. Aber wenn wir bis morgen früh warten, werden sie schon vor Südmarkstadt stehen. Wir Reiter müssen nach ihnen schnappen wie eine Hundemeute, uns dann davonmachen und wieder angreifen, so daß sie uns nicht ignorieren können. Wir müssen sie aufhalten, bis unsere Fußtruppen eintreffen.«
    »Aber was ist mit Brone und seinen Truppen?« fragte Tyne. »Das scheint doch Wahnsinn, wenn es eine ganze Festungsgarnison gibt, die uns zu Hilfe kommen kann.«
    »Dann laßt sie uns zu Hilfe kommen!« sagte Vansen. »Schickt Boten aus, geflügelte und ungeflügelte. Aber ich kann es nicht nachdrücklich genug sagen, ihr Herren — wenn wir zulassen, daß die Zwielichtler die Stadt vor uns erreichen, dann, fürchte ich, werden wir es bereuen.«
    Tyne sah fragend zu Barrick hinüber, dem mehr als flau war. Er hatte ja gewußt, daß ihm das, was Vansen zu sagen hatte, gar nicht gefallen würde, aber jetzt war es zu spät: Er hatte es gehört und erkannt, daß es die schreckliche Wahrheit war. Er konnte nur nicken.
     
    Kessel kam durch ein Kaninchenloch ins Straucheln, und Barrick wäre fast aus dem Sattel gefallen, schaffte es jedoch, sich in der Mähne des Tiers festzukrallen, bis er wieder aufrecht saß. Einen Moment lang war er froh, daß er nicht wie viele andere Reiter eine Lanze trug, daß sein verkrüppelter Arm das nicht zuließ, denn er hätte sie mit Sicherheit verloren oder, schlimmer noch, sich damit selbst aus dem Sattel gehebelt. Dann jedoch fiel ihm ein, daß ein Mann ohne Lanze einen Feind nicht weiter von sich fernhalten konnte als auf die Länge seines Kurzschwerts.
    Ich hätte zurückbleiben können. Sie haben alle gesagt, ich soll nicht mitkommen.
Die Worte klackerten in seinem Kopf herum wie lose Steine in einem Eimer. Die Pferde donnerten den Hang hinab, in einem Tempo, bei dem die Reiter nicht mehr tun konnten, als sich vorzubeugen und festzuhalten. Der Nebel, der eben noch in einzelnen Fetzen vorbeigedriftet war, wurde jetzt dichter; große weiße Schwaden flogen vor Barrick empor, als ob Dienstmägde das Bettzeug der Burg ausschüttelten. Er schien durch eine Welt zu rasen, die zur Hälfte aus grünem Gras und schwindendem Winterlicht bestand und zur anderen Hälfte aus grauer Leere, in der er ganz allein war, bis auf die fernen Geräusche von Pferdehufen und Rüstungen und die gelegentlichen Rufe seiner Gefährten. Sonne und Nebel tauchten alles abwechselnd in Licht und in Dunkel wie eine auf- und zuschwingende Tür.
    Er gelangte für ein paar kurze Augenblicke in die Welt des Lichts, tauchte dann wieder in wirbelnde Nebelschwaden ein. Rechts und links von ihm ritten Männer, aber er konnte ihre Schilde und ihre Helmzier nicht klar genug sehen, um sie zu identifizieren. Der Mann zu seiner Linken stellte sich plötzlich in den Steigbügeln auf. Etwas ragte aus der Stelle zwischen Brust und rechter Schulter des Mannes hervor wie eine langstielige, schwarze Blume. Dann wurde der Mann rückwärts aus dem Sattel gewirbelt, und sein Pferd verschwand im Nebel — Nebel, der sich nicht verzog, sondern immer noch dichter wurde.
    Vansen hat sich getäuscht,
war alles, was Barrick denken konnte,
es ist schon Nacht.
    Er wollte dem Mann rechts von sich etwas zurufen, aber als er sich suchend zur Seite drehte, zischte etwas an seinem Gesicht vorbei, so dicht, daß es seine

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