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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hälfte der Zange zu bilden, wenn Brones Festungstruppen ausrückten. Doch der Graf von Ostlaken hatte Vansens Botschaft ignoriert, da er darin nur das feige Ansinnen eines gemeinen Mannes — eines emporgekommenen Pikeniers — sah, und hatte seine müden Soldaten in die Schlacht geworfen. Durch den Nebel und die unheimlichen Geräusche und Schemen verwirrt — Graf Droy und die anderen hatten offenbar aus der ersten Schlacht nichts gelernt —, war die Hälfte von ihnen im Handumdrehen von unsichtbaren Bogenschützen niedergestreckt worden. Ihre eigenen Pfeile hingegen schienen unter den Überlebenden von Tynes Reiterei ebenso viele Opfer zu fordern wie in den Reihen des Feindes.
    Ein Desaster. Schlimmer noch, eine Farce. So verteidigen wir Südmark — mit Schlachtplänen aus einem Possenspiel, mit einer bornierten Heerführung, die tapfere Männer sinnlos opfert.
    Doiney riß Vansen aus seinen trüben Gedanken, indem er am Saum seines Waffenrocks zupfte. »Schatten, Hauptmann. Da drüben. Ich glaube, sie kommen näher.«
    Vansen kniff die Augen zusammen. Jetzt, da die Sonne wiederkehrte, war die Sicht ein klein wenig besser. Der Nebel war dünner, kaum dichter, als man es zu dieser Tageszeit hier auf diesen Wiesen erwartet hätte, aber er machte die Welt noch immer zu einem unheimlichen, unberechenbaren Ort. Tatsächlich bewegte sich etwas die leichte Steigung zu dem Steinhaufen hinauf, den sie verteidigten. Ein Klumpen von dunklen Schemen.
    Ein Pfeil zischte vorbei. Vansen sprang von dem Felsvorsprung, auf dem er gehockt hatte. Die Pferde, die sie in einen Spalt am Fuß des Felsens getrieben hatten, weil sie ihnen im Moment nichts nützten, wieherten ängstlich. Es kamen keine weiteren Pfeile. Das war immerhin ein kleiner Trost.
    »Auf!« rief Vansen, als ein halbes Dutzend bizarrer Gestalten aus dem Nebel stürmten, mit glühenden Augen und Gesichtern, so bleich wie Gipsmasken. Ein Wesen lief auf allen vieren wie ein Tier, schien jedoch mitten in einer Verwandlung steckengeblieben: ungleichmäßige Streifen buschigen Fells zogen sich über Rücken und Flanken, und das Gesicht war deformiert, als hätte es jemand von innen herausgedrückt, so daß Nase und Mund eine Art Schnauze bildeten. Vor wenigen Stunden noch hätte Vansen auf so etwas entsetzt reagiert, hätte er sich gefühlt, als ob die Welt, die er kannte, unter seinen Füßen wegbräche. Jetzt war es nur ein Grund mehr, sie zu töten, sie alle zu vernichten, diese gräßlichen, unnatürlichen Kreaturen, die selbst so viele seiner Gefährten umgebracht hatten.
    »Zu mir!« rief er und half Mayne Calhart auf die Beine — die Rüstung des Ritters schrappte über den Fels, als er seinen müden Körper emporstemmte. »Zu mir! Bleibt Rücken an Rücken!«
    Die glutäugigen Kreaturen stürzten auf sie zu, die Zähne gefletscht, als wollten sie diese verlockende Arbeit nicht ihren Schwertern überlassen. Wie schon mindestens ein dutzendmal verbannte Vansen alle anderen Gedanken aus seinem Kopf, um sich ganz darauf zu konzentrieren, noch ein Weilchen am Leben zu bleiben.
     
    Calhart und sein Knappe waren tot, oder jedenfalls war der Ritter tot und der Knappe, mit einer dampfenden, klaffenden Schwertwunde unter der Kieferbeuge, ganz offensichtlich in den letzten Zügen. Die Hände, mit denen der Jüngling sein eigenes Blut zurückzudämmen suchte, waren ganz rot, das Gesicht jedoch pergamentfahl unter dem Dreck, und das Blut pulste bereits langsamer hervor. Der Knappe starrte in den verschleierten Morgenhimmel, und seine blubbernden Gebete verstummten, obwohl sich seine Lippen noch immer bewegten. Vansen wünschte, er könnte irgend etwas für den Jungen tun. Aber vielleicht war das ja die gnädigste Lösung. Wer wußte schon, was mit den Lebenden geschehen würde, wenn die Schattenwesen wiederkamen? Nur Vansen hatte schon eine Kostprobe bekommen, wie einen der eigene Verstand unter dem finsteren Zauber dieser Elben verraten konnte.
    Calhart lag auf dem milchweißen Gegner, den er getötet hatte — einer Frau, aber in Vansens Augen war das nicht minder ehrenvoll, da auch die weiblichen Zwielichtler wie Dämonen kämpften. Der Brustpanzer des Ritters war aufgefetzt wie ein angebissener Apfel, und die Eingeweide hingen heraus. Drei Zwielichtlerleichen waren den Fels hinabgerollt und lagen als wirrer Haufen drunten im Gras. Die übrigen Angreifer hatten sich in den Nebel zurückgezogen, aber Vansen war sich sicher, daß sie nur Verstärkung holten. Es war Stunden

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