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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kundschafter, doch Vansen galoppierte bereits nach Nordwesten und konnte nicht mehr zurück. Er wünschte, er könnte sich die Ohren zuhalten.

    »Aber warum?« Der Zorn machte es Opalia etwas leichter, die Tränen zurückzudämmen. »Hast du den Verstand verloren? Erst gehst du mit diesem Mädchen davon, und jetzt das? Warum mußt du mit einem Fremden die Mauern der Festung verlassen? Und das ausgerechnet
jetzt?«
Sie zeigte auf Flint. Der Junge lag reglos und stumm auf dem Bett, und nur die leise Bewegung seines Brustkorbs zeigte an, daß er noch lebte. »Er ist so krank!«
    »Ich glaube nicht, daß er krank ist, meine Liebe, ich glaube, er ist nur erschöpft. Er wird bald wieder wohlauf sein, ich versprech's dir.« Aber Chert war sich nicht sicher, ob er das wirklich glaubte. Er war selbst müde, todmüde, da er nur ein paar Stündchen Schlaf ergattert hatte, nachdem er von der Burg zurückgekehrt war. »Der Junge ist ja der Grund, weshalb ich gehen muß — der Junge und du. Ich wollte, du könntest diesen Gil sehen. Ich will ihm ja gar nicht glauben, liebste Opalia, aber ich tu's.« Er nahm den Spiegel hervor und inspizierte ihn ein weiteres Mal. Kaum zu glauben, daß sich so viel verrücktes Zeug um einen so gewöhnlichen, kleinen Gegenstand ranken konnte. »Schreckliche Dinge sind in der Schwebe, sagt er. Ich wollte, du könntest ihn sehen, dann würdest du verstehen, warum ich ihm glaube.«
    »Warum kann ich ihn denn nicht sehen? Warum kann er nicht hierher kommen?«
    »Ich weiß nicht genau«, gab er zu. »Er hat gesagt, er kann dem Leuchtenden Mann nicht zu nahe kommen. Deshalb ist der Junge an seiner Stelle hingegangen.«
    »Aber das ist doch alles völlig verrückt!« Opalias Zorn schien endgültig die Oberhand gewonnen zu haben. »Wer ist dieser Mensch? Woher kennt er Flint? Warum schickt er unseren Sohn, so etwas Gefährliches zu tun, und mit welchem Recht? Und was weiß ein Großwüchsiger überhaupt von unseren Mysterien?«
    Chert duckte sich unter der Fragenkanonade zusammen. »Ich weiß nicht, aber er ist nicht einfach nur irgendein Großwüchsiger.« Gils ruhiger, leerer Blick hatte sich in sein Gedächtnis gegraben. »Irgendwas stimmt mit ihm nicht, aber es ist schwer zu erklären. Er ist einfach ...« Chert schüttelte den Kopf. Das war das Problem. Er hatte die letzten Tage an Orten verbracht, wo Worte wenig oder gar nichts bedeuteten, aber Opalia nicht. Es machte ihn traurig, weil es sich wie eine Kluft zwischen ihnen anfühlte. Er hoffte nur, daß er diese sonderbaren Zeiten überleben würde, damit er diese Kluft wieder überbrücken konnte. Er vermißte sein gutes Weib, obwohl es direkt vor ihm stand. »Ich muß es tun, Opalia.«
    »Das sagst du schon die ganze Zeit. Was machst du dann hier, du hartherziger, sturer, alter Maulwurf. Glaubst du, du tust mir einen Gefallen, wenn du hierherkommst, nur um mir zu sagen, daß du schon wieder losziehst und dein Leben riskierst, nachdem du gerade erst zurückgekehrt bist? Wenn du mich mit diesen verrückten Geschichten zu Tode ängstigst?«
    »Ja«, sagte er. »Einen Gefallen zwar nicht gerade, aber ich konnte nicht einfach weggehen, ohne dir zu sagen, warum.« Er ging durchs Schlafzimmer und nahm sein Ranzel. »Und außerdem brauche ich auch ein bißchen Werkzeug. Für alle Fälle.« Er sagte ihr nicht, daß das, worum es ihm wirklich ging, sein Arbeitsmesser war. Es war sorgsam geschärft und das Waffenähnlichste, was sie ihm Haus hatten, außer Opalias Küchenmessern. Und er konnte sich nicht vorstellen, sie um ihr bestes Tranchiermesser zu bitten — das kam ihm vor wie der letzte Schlag auf eine bröckelige Felswand.
    Opalia war, jetzt wieder mit den Tränen kämpfend, ins Wohnzimmer hinausgestapft. Chert kniete sich neben den Jungen. Er fühlte die kühle Stirn und vergewisserte sich noch einmal, daß sich Flints Brustkorb wirklich bewegte. Er küßte ihn auf die Wange und sagte leise: »Ich hab dich lieb, Junge.« Es war das erste Mal, daß er es laut sagte oder auch nur sich selbst eingestand.
    Er küßte auch Opalia, obwohl sie sich kaum zwingen konnte, so lange stillzuhalten, und rasch das Gesicht wegdrehte. Doch da hatte er die Tränen bereits geschmeckt.
    »Ich komme wieder, mein altes Mädchen.«
    »Ja«, sagte sie bitter. »Vermutlich.«
    Im Hinausgehen jedoch hörte er sie leise sagen: »Wehe, wenn nicht.«
     
    Auf dem Rückweg verlief Chert sich ein paarmal, weil jetzt das Mädchen Willow nicht dabei war, um ihn zu führen. Die

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