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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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ist jetzt keine Zeit! Wir müssen hier weg. Wir müssen ...« Er schnappte nach Luft. Es war schrecklich, zu hören, wie schwach er war. Und wenn er starb? Was sollte sie dann tun? »Jetzt könnt Ihr aufstehen«, sagte er schließlich. »Nehmt meine Hand. Es gibt einen Ort, wo wir hinkönnen.«
    »Was ist das für ein Gang? Woher wißt Ihr davon?«
    »Ich bin der Waffenmeister.« Er stöhnte vor Schmerz, während er sich aufrichtete. »Es ist meine Aufgabe, solche Dinge zu wissen. Avin Brone weiß es auch. Deshalb ließ er mich in eine andere Zelle sperren.«
    »Wieso wissen dann Barrick und ich nichts davon?«
    Shaso seufzte — eine Mischung aus Reue und Schmerz. »Ihr hättet es erfahren müssen. Nehmt meine Hand.«
     
    Es schien ewig weiterzugehen, bestimmt über eine halbe Stunde, durch feuchtkalte Steingänge und tücklsche Engstellen, die kaum mehr waren als Schlupflöcher in hartem Erdboden, bis sie schließlich in eine Steinkammer kamen, wo es nach Meeresschlick und Vogelexkrementen roch. Ganz oben in der Steinwand war ein schmaler Fensterschlitz, durch den Mondlicht hereindrang, und zum ersten Mal, seit sie durch die Falltür gestiegen waren, konnte Briony Shasos knochiges, erschöpftes Gesicht sehen.
    »Wir sind in einem Lagerraum beim Wassertor«, sagte er keuchend. Auf dem Kriechstück hatte sie ihn sogar wimmern hören, ein so unerwartetes Geräusch, daß es ihr fast noch mehr Angst gemacht hatte als alles andere in dieser gräßlichen, irrsinnigen Nacht. Shaso, der sich anmerken ließ, daß er Schmerzen hatte, der fast schon weinte! Sie konnte nur ahnen, wie schlecht es ihm wirklich gehen mußte. »Die Gronefelder durchkämmen jetzt sicher die ganze Festung. Vielleicht suchen Euch auch noch andere. Wir können niemandem trauen.«
    »Aber ...«
    »Hört zu, Mädchen! Jetzt ist doch wohl offensichtlich, wie lange und gründlich die Tollys das alles vorbereitet haben, wie sie nur auf einen solchen Moment gewartet haben. Selbst wenn wir Brone fänden, selbst wenn er sich als loyal erwiese, wer sagt uns, daß seine Wachen es auch sind? Wir müssen fort von hier.«
    »Wohin? Wenn die Gefahr so groß ist, wo können wir dann noch hin?«
    »Eins nach dem anderen, Briony.« Er klapperte vor Kälte. »Der einzig sichere Weg, die Festung zu verlassen, ist der übers Wasser.«
    »Aber drüben in der Stadt sind doch die Zwielichtler.«
    Er schüttelte den Kopf. »Dann fahren wir woanders hin. Über die Bucht und südwärts die Küste hinunter. In Helmingsee gibt es sichere Orte ... Ich habe Vorbereitungen getroffen ...«
    »Ihr ... Ihr habt damit gerechnet, daß so etwas geschehen könnte?«
    Zum erstenmal lachte der alte Mann, ein krächzendes Lachen, das rasch zu einem schmerzhaft klingenden Husten wurde. »Das ist meine Aufgabe, Briony«, sagte er, als er wieder sprechen konnte. »Meine Eidespflicht. Mit allem zu rechnen, was geschehen könnte —
allem —
und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.«
    Selbst jetzt, da er körperlich am Ende war und sein Leben an einem seidenen Faden hing, glaubte sie aus seinen Worten einen starrhalsigen Stolz herauszuhören. Es machte sie vor allem wütend. »Shaso, warum habt Ihr mir nicht die Wahrheit über Kendrick gesagt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Später. Falls wir überleben.« Er erhob sich mühsam und streckte ihr die Hand hin. Sie wedelte sie weg und stemmte sich empor, merkte erstmals, wie müde sie selbst war und wie alles an ihr schmerzte.
    »Leise jetzt«, sagte er. »Haltet Euch im Schatten.«
    Der schmale Weg draußen vor dem Lagerraum war menschenleer, aber sie konnten Wachen auf der Mauer reden hören, und in dem Wachhaus am Wassertor brannte ein Feuer. Eine solche Nacht hatte es noch nie gegeben! Ein Winterfest auf der Burg, während ein schrecklicher Feind gleich jenseits des Wassers lagerte. Die Zofe ihrer Stiefmutter, die sich in einen Dämon verwandelte. Es schien, als könnte in dieser Nacht
alles
passieren, die schrecklichsten, grausigsten, unmöglichsten Dinge, und sie fragte sich, ob sie wirklich auf Shasos Urteil vertrauen konnte. Er war immer so unbeirrbar, so sicher, daß er recht hatte, aber wer konnte in einer solchen Nacht alles richtig beurteilen? Wenn er sich nun täuschte? Sollte sie ihren Thron kampflos aufgeben und weglaufen, nur aus Angst vor Hendon Tolly? Wenn sie die Wachen riefe, wären sie im Nu hier, bei ihrer Prinzregentin — würden sie Tolly nicht aufspüren und niedermachen wie den tollwütigen Hund, der er war?
    Aber wenn

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