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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir auf.«
    Sie tat ihr Bestes, an seinem Arm zu ziehen, während er sich empormühte. Sie sprudelte die Geschichte dieser Nacht hervor, unsicher, ob er in diesem erschöpften und elenden Zustand überhaupt etwas verstand. Die Ketten klirrten, und von ihrem Gewicht herabgezogen, sank er wieder zurück. »Wo sind die Schlüssel für diese Dinger?« fragte sie.
    Shaso zeigte mit dem Finger. »Draußen, an dem Wandbord.« Für jedes Wort brauchte er eine ganze Weile. »Ich weiß nicht, welcher in die Handeisen paßt. Sie wurden mir kaum je abgenommen.«
    Tränen stiegen Briony in die Augen, während sie zu dem Bord lief. Da hingen etwa ein Dutzend Schlüsselringe, die für sie alle gleich aussahen, also nahm sie sie alle. Sie zogen schwer an ihren Armen, als sie in die Zelle zurückeilte. »Warum habt Ihr es mir nicht erklärt?« Sie begann, die Schlüsselringe durchzugehen. Um jeden Schlüssel in den Schlössern der Handeisen auszuprobieren, mußte sie sich dicht an Shaso heranbeugen. Der Gestank des alten Mannes erinnerte sie an die Kreatur in Anissas Gemach, aber wenigstens war dieser Geruch hier natürlichen Ursprungs. »Ihr habt es nicht getan, warum habt Ihr mir nicht alles erklärt? Was ist zwischen Euch und Kendrick passiert?«
    Er schwieg. Ein Handeisen sprang klickend auf, dann auch das zweite. Sie fühlte die nässenden Wunden an seinen Handgelenken, als sie ihm aufhalf. Er war über und über mit Blut verschmiert — aber sie schließlich auch.
    Shaso wankte, schaffte es dann, aufrecht zu bleiben. Er streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. »Ich habe Euch gesagt ... daß ich Euren Bruder nicht getötet habe. Mehr kann ich nicht sagen«, erklärte er schließlich.
    Briony stöhnte ärgerlich. »Was soll das heißen? Ich sagte doch, ich weiß, wer Kendrick getötet hat. Versteht Ihr denn nicht? Jetzt müßt Ihr mir sagen, warum Ihr Euch habt einsperren lassen, obwohl Ihr unschuldig seid!«
    Er schüttelte müde den Kopf. »Ich war durch meinen Eid gebunden. Bin es immer noch.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich lasse nicht zu, daß Eure Sturheit ...«
    Die Kerkertür öffnete sich quietschend, und der Wächter, den sie ausgeschickt hatte, stand in der Türöffnung. Er hatte einen geistesabwesenden Gesichtsausdruck und preßte die Hände an den Bauch, als hielte er etwas Kleines, Kostbares. Er tat einen Schritt in den Vorraum, taumelte dann und schlug der Länge nach hin. In ihrer Wut und Verwirrung brauchte Briony einen Moment, um zu bemerken, daß er nicht wieder aufstand, und einen weiteren, um die dunkle Lache zu erkennen, die sich unter ihm ausbreitete.
    »Dein Waffenmeister ist immer noch der edle Ritter, was?« Hendon Tolly trat durch die Tür. Er war wie für eine Beerdigung gekleidet, grinste aber wie ein Kind, das gerade eine Süßigkeit bekommen hatte. »Ein xandischer Wilder, der sterben würde, um seine Ehre zu wahren.« Drei weitere Männer betraten hinter ihm den Raum, alle in den Farben der Tollys, alle mit gezogenem Schwert. »Das macht mir das Leben leicht — all diese Narren, die bereit sind, für ihre Ehre zu sterben.«
    »Ich weiß jetzt, wer meinen Bruder getötet hat«, sagte Briony erschrocken. »Ich habe nicht geglaubt, daß Ihr etwas damit zu tun habt. Warum habt Ihr diesen Wächter getötet? Und warum dieser bedrohliche Auftritt?« Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Habt Ihr etwas damit zu tun?« Sie bezweifelte, daß Hendon Tolly zögern würde, die Waffe gegen seine Prinzregentin zu erheben, aber vielleicht konnte sie ja wenigstens erreichen, daß seinen Lakaien Zweifel kamen.
    »Ja, du hättest vielleicht wirklich irgendwann eine ganz ordentliche Königin abgegeben«, sagte Tolly. »Aber du bist naiv, Kind, viel zu naiv. Du bist ohne Wachen hierhergekommen. Du hast heute nacht eine Spur von Blut und Tumult in der gesamten Burg hinterlassen. Meine Geschichte wird das alles erklären — aber nicht zu deinen Gunsten.«
    »Verräter«, stieß Shaso hervor. Er sank gegen die Wand, offensichtlich am Ende seiner Kräfte. »Ihr ... Ihr und Euer Bruder habt das alles angezettelt.«
    »Einen Teil, ja.« Hendon Tolly lachte. »Und Ihr, alter Mann, habt es gemacht wie ein Besoffener, der vor einer schweren Kutsche einherwankt — Ihr habt mir den Weg nicht freigemacht. Und jetzt werdet Ihr der offizielle Mörder der Prinzessin
und
Prinz Kendricks sein.«
    »Was schwafelt Ihr da?« fragte Briony, in der Hoffnung, Tolly zum Weiterreden zu bringen, bis ihr irgend etwas

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