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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Shasos Angst berechtigt war und sie es nicht taten? Wenn sie nun insgeheim zu Tolly hielten, weil sie bereits mit Lügenversprechen oder Gold bestochen worden waren?
    Briony versuchte sich vorzustellen, was ihr Vater tun, wie er denken würde.
Sieh zu, daß, du am Lehen bleibst,
würde er sagen, das war ihr klar.
Wenn du am Leben bist, kannst du alles, was Tolly sagt, als Lüge entlarven. Wenn dich aber jemand mit einem Pfeil niederstreckt, dann bleibt den Leuten keine andere Wahl, als ihm zu glauben, weil Gronefeld nach Südmark der mächtigste Teil der Markenlande ist und sie ein Blutsrecht auf den Thron haben ...
    Shaso führte sie durch die Gegend bei der Skimmer-Lagune, merkte sie plötzlich. Sie war kaum je in diesem Teil von Südmarksburg gewesen, diesem Viertel mit seinen engen Gassen und roh zusammengezimmerten Skimmer-Häusern, dem Gewirr von Anlegestegen und Booten, die mindestens ebenso viele von diesen Wasserleuten zu beherbergen schienen wie die herkömmlicheren Behausungen rings um den Hafen. Es schien seltsam ruhig für eine Winterfestnacht, wenn es jetzt auch schon fast Mitternacht sein mußte; die Straßen waren nahezu leer, ein paar erleuchtete hochgelegene Fenster und leise Gesangsfetzen die einzigen Zeichen, daß hier überhaupt Leute wohnten. Sie hörte die vertäuten Boote gegen die Stege driften und hin und wieder den schläfrig fragenden Ruf eines Wasservogels.
    »Wohin gehen wir?« flüsterte sie, als sie im Schattendunkel an einer der breiteren Straßen standen. Die Behausungen waren so dicht gedrängt und so verschachtelt, daß man sich eher in einem Hornissennest als in einer menschlichen Ansiedlung fühlte. Shaso blickte die Straße in beiden Richtungen entlang, winkte ihr dann, ihm zu folgen.
    »Wir sind da«, sagte er. »Hier wohnt Turley, der Anführer.«
    »Turley?« flüsterte sie. Es dauerte einen Moment, bis ihr wieder einfiel, woher sie den Namen kannte. »Den habe ich schon einmal getroffen!«
    Shaso sagte nichts, klopfte nur an die ovale Tür, in einem seltsamen Rhythmus, der nicht zufällig wirkte. Kurz darauf öffnete sich die Tür einen Spalt, und zwei große Augen spähten heraus. »Ich muß deinen Vater sprechen«, sagte Shaso. »Sofort. Laß uns ein.«
    Das Mädchen starrte ihn an, als ob es ihn kennen würde, aber nicht damit gerechnet hätte, ihn je an dieser Tür zu sehen. »Geht nicht, Herr«, sagte sie schließlich. »Heut nacht ist Schwarmversammlung.«
    »Es ist mir gleich, Kind, und wenn heute das Ende der Welt wäre«, knurrte der alte Mann. »Außerdem
ist
heute das Ende der verfluchten Welt. Sag deinem Vater, Shaso dan-Heza ist hier und will ihn dringend sprechen.«
    Die Tür ging auf, und das Mädchen trat zur Seite. Briony erkannte es wieder — Turleys Tochter, die, zusammen mit ihrem Liebsten, in der Nacht vor Kendricks Tod das mysteriöse Boot in die Lagune hatte kommen sehen. Jetzt glaubte sie zu wissen, was dieses Boot gebracht hatte — und wem.
    Selias verfluchten Hexenstein. Wenn ich dem, was die Skimmer gesagt haben, doch nur mehr Beachtung geschenkt hätte.
    Das Skimmermädchen erkannte Briony und machte etwas, das wohl ein ungeübter Knicks war. »Hoheit«, sagte sie und guckte zwar interessiert, aber nicht übermäßig beeindruckt. Briony fiel der Name des Mädchens nicht mehr ein, also beschränkte sie sich auf ein Nicken.
    Der schmale Gang knarrte wie Schiffsplanken, als sie ihn entlanggingen. Es roch intensiv, fast schon erdrückend, nach Fisch, Salz und anderen, weniger leicht zu identifizierenden Dingen. Das Mädchen ging vor ihnen her und öffnete die Tür am Ende des Gangs. Der dahinterliegende Raum war klein und kalt, das Feuer winzig und wohl eher als Licht- denn als Wärmequelle gedacht. Obwohl auch ein paar Kerzen brannten, konnte Briony nicht genau erkennen, wie viele Leute sich in dem kleinen Gelaß drängten. Sie zählte ein Dutzend schimmernder Kahlköpfe, aber da hockten noch mehr Gestalten im Schattendunkel an den Wänden. Es schienen nur Männer zu sein, und alle sahen sie mit rundglänzenden, blinzelnden Augen an wie Frösche auf einem Seerosenteich.
    »Seid gegrüßt, Turley«, sagte Shaso. »Ich brauche Eure Hilfe. Ich brauche einen Mann mit einem Boot. Das Leben der Prinzessin ist in Gefahr.«
    Die vielen großen, feuchtglänzenden Augen wurden noch größer.
    Der Mann namens Turley murmelte seinen Gefährten etwas zu, ehe er sich erhob. »Ist mir eine Ehre, Shaso-na«, sagte er schließlich in seiner langsamen, seltsam

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