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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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alten Buch. Da flog plötzlich etwas Dunkles an ihrem Kopf vorbei und krachte dem nächststehenden Soldaten ins Gesicht, so daß er hintenüberfiel und einen seiner Kameraden mitriß. Eine Hand zog Briony zurück, dann sauste etwas Leuchtendes, so hell wie ein Sonnenscherben, durch den Raum, prallte von der Wand ab und ergoß lohendes Licht über die Wachen und Hendon Tolly, der vor Schmerz und Schreck aufschrie, als Flammen aus seiner dicken schwarzen Kleidung züngelten.
    Shaso schnappte nach Luft wie ein Sterbender, nachdem er es irgendwie geschafft hatte, zuerst seine Kette und dann das Kohlebecken durch die Luft zu schleudern. Während er Briony in den hinteren Teil des Kerkers zog, war ihr klar, daß sie den Tod nur hinausgezögert hatten. Sie konnten nirgends hin, und die Überraschungsattacke hatte nicht genügt: Tolly und die beiden verbliebenen Wachen waren bereits dabei, die Flammen mit den Händen auszuklopfen, wenn auch einer der Soldaten vor Schmerz schrie.
    Im Rückwärtsstolpern blickte sie sehnsüchtig auf den leeren Speerständer, wo in jeder anderen Situation als dieser bizarren Mischung aus Belagerungszustand und Festnacht gewiß einige Piken zu finden gewesen wären. Dann zog Shaso sie in die letzte Zelle und schlug die Tür zu.
    »Haltet sie zu«, keuchte der alte Mann. »Nur ... nur einen Augenblick.«
    Ihre Feinde standen bereits draußen vor der Tür, waren aber zu vorsichtig, um sie aufzudrücken, ohne zu wissen, was Shaso vorhatte. »Ich habe nichts dagegen, euch dort drinnen bei lebendigem Leib zu rösten«, brüllte Hendon Tolly. Es klang atemlos und längst nicht mehr so fröhlich. Briony hoffte, daß ihn die Verbrennungen peinigten. »Das paßt genausogut in unsere kleine Geschichte.«
    Etwas quietschte. »Helft mir!« flüsterte Shaso heiser.
    Briony tat einen Schritt auf ihn zu, stolperte, fiel hin. Sie ertastete ihn, dann das schwere hölzerne Etwas in seinen knochigen Händen.
    »Zieht!«
    Sie tat es, vor Anstrengung ächzend. Ein sich langsam verbreiternder Lichtstreifen auf dem strohbedeckten Zellenboden zeigte an, daß Hendon Tolly und seine Männer beschlossen hatten, das Wagnis einzugehen und die Tür vorsichtig zu öffnen, doch Briony und Shaso war es inzwischen gelungen, die Falltür im Zellenboden aufzuwuchten. Briony war verblüfft, daß es hier überhaupt so etwas gab, aber das war nicht der Moment für Fragen. Auf Shasos stumme Geste hin ließ sie sich durch die Öffnung hinab, und ihre Füße fanden die Leiter. Sie hielt die Klappe so auf) daß Shaso ebenfalls hinabsteigen konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, aber sonderlich ermutigt war sie nicht: Das dunkle Loch schien ein ebenso auswegloses Versteck wie die Zelle, ganz gleich, wie tief es war. Shaso ließ die Falltür über sich zuklappen, und alles war schwarz. Sie hörte ein schabendes Geräusch und begriff, daß er einen Riegel auf der Unterseite der Falltür vorschob. Gleich darauf hämmerten Tolly und seine Männer wütend auf die Falltür ein; das Bummern hallte in dem engen Schacht wie Donner.
    »Kriecht!« sagte Shaso, als sie den Grund erreicht hatten. »Gleich könnt Ihr wieder stehen.«
    »Bei den Göttern — was ist das hier?«
    Er gab ihr einen Stoß. »Los! Das hier ist die innerste Bastion der Festung. Die letzte Zuflucht bei einer Erstürmung. Meint Ihr, es gäbe da keinen geheimen Ausgang für den schlimmsten Fall?«
    »Den haben wir jetzt ja wohl«, sagte sie, beschloß dann aber, ihren Atem für das Kriechen aufzusparen.
    Nach wenigen Augenblicken erfüllte sich Shasos Versprechen: Der enge Kriechgang weitete sich, bis Briony keinen Stein mehr neben oder über sich fühlte. »Wo führt dieser Gang hin?«
    »Er kommt beim Wassertor des Frühlingsturms heraus.«
    »Wir müssen Avin Brone finden. Wir müssen die übrigen Garden alarmieren!«
    »Nein!« Er packte sie am Bein. Im Dunkeln fühlte es sich an, als griffe ein wurzelfingriges Monster nach ihr. Shasos Worte kamen nur stockend heraus, weil er zwischendurch nach Luft rang. »Ich traue Brone nicht. Außerdem wissen wir nicht, wo er ist. Wenn uns Tollys Leute finden, bringen sie uns auf der Stelle um. Sie können jederzeit behaupten, ich hätte Euch als Geisel genommen, und Euer Tod sei ein Versehen gewesen.«
    »Das nimmt ihnen niemand ab!«
    »Vielleicht nicht, wenn erst wieder Vernunft eingekehrt ist, aber was nützt Euch das jetzt? Oder mir, wenn ich von einem wütenden Pöbel in Stücke gehackt werde? Verflucht, Briony Eddon, dazu

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