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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Trigon selbst hatten im Norden nicht mehr die Macht, die sie einmal gehabt hatten.
    Um den Tisch saßen viele weitere Mächtige des Königreichs: Tyne von Wildeklyff, Vogt Nynor, der bärenhafte Avin Brone, Barricks geckenhafter Vetter Rorick Longarren, Graf von Dalerstroy (und in Barricks Augen ein seltsamer Kontrast zu dem harten, schlichten Menschenschlag dort), sowie ein halbes Dutzend weiterer Edelleute, die zum Teil sichtlich müde von ihrem Mittagsmahl waren, teils aber auch ihren Ärger darüber, für diesen Tag auf die Hetz- oder Beizjagd verzichten zu müssen, hinter der Maske der Gleichgültigkeit versteckten. Die Vertreter der letzteren Sorte, dachte Barrick, wären auch garantiert nicht erschienen, hätten sie nicht ein starkes Interesse an einer partiellen Entlastung von den Abgaben für das königliche Lösegeld gehabt — daß seine Schwester der Preis dafür war, störte sie nicht.
    Er hätte sie gern allesamt an Erivors goldenem Fischspeer zappeln sehen.
    Nur Shaso wirkte angemessen ernst. Er saß am anderen Ende des Tischs, und zwischen ihm und den Nächstsitzenden klaffte jeweils eine Lücke. Barrick fand, daß er ein bißchen so aussah wie ein Gefangener vor Gericht.
    »Euer Argument sollten alle hören«, sagte Kendrick laut zu Gailon, der ihm immer noch ins Ohr flüsterte. Auf dieses Signal hin wandten sich sämtliche Edelleute dem oberen Tischende zu.
    Herzog Gailon schwieg einen Moment. Eine leichte Röte kroch seinen Hals hinauf und über sein hübsches Gesicht. Außer Barrick und dem Prinzregenten war er der jüngste Anwesende. »Ich habe nur gesagt, ich hielte es für einen Fehler, Ludis Drakava die Prinzessin so ohne weiteres zu geben«, erklärte er. »Wir alle wünschen uns nichts mehr als die Heimkehr unseres Königs Olin, aber selbst wenn Ludis sich an die Abmachung hält und ihn ohne Heimtücke freiläßt, was dann? Olin — mögen die Götter ihn uns lange erhalten — wird eines Tages alt sein und sterben. Bis dahin kann viel geschehen, und nur die nimmer rastenden Schicksalsgöttinnen sind allwissend, aber eins steht fest — wenn unser Herrscher einmal nicht mehr ist, hätten Ludis und seine Erben einen dauerhaften Anspruch auf den Thron der Markenkönige.«
    Und sein Anspruch käme vor deinem,
dachte Barrick,
was dein wahrer Einwand ist.
Dennoch ermutigte es ihn, daß er einen Verbündeten hatte, und wenn es nur Gailon Tolly war. Er sollte wohl froh sein, dachte er, daß Gailon der älteste Tolly-Sohn war. Er mochte ja ein ehrgeiziger Pedant sein, aber im Vergleich zu seinen Brüdern, dem strohdummen Caradon und dem verrückten Hendon, wirkte er so nobel wie Silas.
    »Ihr habt gut reden, Gronefeld«, knurrte Tyne Aldritch, »wo Ihr Euren Teil des Lösegelds bereits beisammenhabt. Aber wir übrigen? Wir müßten Narren sein, nicht auf Ludis' Angebot einzugehen.«
    »Narren?« Barrick setzte sich gerade auf. »Wir sind Narren, wenn wir meine Schwester nicht verkaufen?«
    »Genug«, sagte Kendrick mit schwerer Stimme. »Auf diese Frage kommen wir später zurück. Zunächst gibt es Dringlicheres. Können wir Ludis und seinem Gesandten vertrauen? Eins ist in jedem Fall klar: Sollten wir übereinkommen, auf sein Angebot einzugehen ... und ich spreche nur von der Möglichkeit, Barrick, also sei bitte still ... könnten wir meine Schwester niemals aus unserem Schutz entlassen, ehe der König nicht frei und in Sicherheit wäre.«
    Barrick rutschte unruhig hin und her, bekam vor Wut kaum Luft — nie hätte er geglaubt, daß Kendrick so leichthin davon sprechen könnte, seine eigene Schwester einem Räuberhauptmann zu übergeben. Aber Kendrick wollte auf etwas anderes hinaus.
    »Tatsächlich«, fuhr Kendrick fort, »wissen wir wenig über Ludis, was über seinen allgemeinen Ruf hinausginge, und noch weniger über seinen Gesandten. Shaso, vielleicht könnt Ihr uns mehr über diesen Dawet dan-Faar sagen, da Ihr ihn ja zu kennen scheint.«
    Seine Frage senkte sich über den Waffenmeister wie eine seidene Schlinge. Shaso regte sich kaum. »Ja«, sagte er schleppend. »Ich kenne ihn. Wir sind ... verwandt.«
    Das rief allgemeines Gemurmel hervor. »Dann solltet Ihr nicht in diesem Rat sitzen«, sagte Graf Rorick laut. Der königliche Cousin war nach der neuesten Mode gekleidet: Die Schlitze seines lila Doublets waren grellgelb unterlegt. Er wandte sich dem Prinzregenten zu, so bunt und selbstgefällig wie ein balzender Vogel. »Das ist eine Schande. Wie viele Ratssitzungen haben wir abgehalten

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