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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen Schritt vor und sah Flint an. »Sag, Junge«, forderte er gespielt streng, »magst du Stein?«
    Das Kind musterte ihn vorsichtig. »Welche Sorte?«
    Zinnober lachte. »Gute Frage! Ah, Meister Chert, vielleicht hat er ja doch das Zeug zu einem Funderling, das heißt, wenn er nicht zu groß für die Stollen wird.« Er gluckste immer noch vor sich hin, als Chert ihn hinausgeleitete.
    »Ist das nicht wunderbar!« Opalias Augen leuchteten. »Jetzt wird deine Familie bereuen, daß sie so hochnäsig zu uns war.«
    »Vielleicht.« Chert war natürlich froh, aber er kannte den alten Hornblende als einen klardenkenden Mann. Hatte es einen Grund, daß er einen so ehrenvollen Posten aufgegeben hatte? War an diesem Angebot vielleicht etwas faul? Chert war solche Freundlichkeit seitens der Zunftoberen nicht gewohnt, wenn er auch keine Veranlassung hatte, Zinnober zu mißtrauen, denn der galt als ein aufrechter Mann.
    »Klein-Flint hat uns Glück gebracht«, schnurrte Opalia. »Er bekommt ein Hemd, und ich werde meinen Winterschal bekommen und ... und du, mein lieber Mann, du brauchst ein paar schmucke neue Stiefel. Mit den schäbigen ollen Dingern kannst du nicht in der Burg der Großwüchsigen herumlaufen.«
    »Laß uns das Silber nicht ausgeben, ehe wir's nicht im Säckel haben«, ermahnte er sie, aber milde. Er war sich vielleicht nicht ganz sicher, was diesen unerwarteten Glücksfall anging, aber es war schön, Opalia so fröhlich zu sehen.
    »Und du hättest den Jungen dort draußen gelassen«, sagte sie aufgekratzt. »Hättest unseren Glücksbringer einfach im Gras sitzen lassen!«
    »Das Glück ist ein seltsam Ding«, erinnerte er sie. »Und wie es so schön heißt: Man muß lange graben, eh man die ganze Ader freigelegt hat.« Er setzte sich hin, um seinen Tee auszutrinken.

    Kendrick hatte den Kronrat in der Erivor-Kapelle einberufen, der Kapelle der Burg, die dem Meeresgott und Schutzpatron der Eddons geweiht war. Den Hauptraum der Kapelle dominierte die aus grünem Speckstein bestehende und mit glänzendem Metall verzierte Statue des Gottes. Goldener Seetang ringelte sich in Erivors Haar und Bart, und den mächtigen goldenen Speer hatte der Gott erhoben, um die Wasser zu besänftigen, damit Anglins Ahnen von Connord aus das Meer überqueren konnten. An dem niedrigen Steinaltar vor der Statue waren Generationen von Eddons getauft und vermählt worden, und etliche hatten auch nach ihrem Tod dort aufgebahrt gelegen: Der Widerhall von der hohen Mosaikdecke der Kapelle klang manchmal wie Stimmen aus längst vergangenen Zeiten.
    Barrick hatte schon genug Probleme mit unerwünschten Stimmen: Er mochte die Kapelle nicht sonderlich.
    Heute waren am Fuß der Altarstufen ein großer Tisch und Stühle aufgestellt. »Das ist der einzige Raum in dieser Burg, wo wir die Tür zumachen und unter uns sein können«, erklärte Kendrick den versammelten Edelleuten. »Wenn im Thronsaal oder im Eichensaal etwas Wichtiges gesagt wird, weiß es die ganze Stadt, noch ehe der Betreffende ausgeredet hat.«
    Barrick rutschte unbehaglich auf dem harten, hochlehnigen Stuhl hin und her. Er kaute schon seit dem Abendessen Weidenrinde, aber sein verkrüppelter Arm schmerzte immer noch von Shasos Schwerthieben. Er sah verdrossen zu dem Waffenmeister hinüber. Shasos Gesicht war maskenhaft, und er blickte so starr auf die von all den Lampen fast taghell beleuchteten Wandgemälde, als hätte er noch nie etwas so Interessantes gesehen wie die Geburt und den Triumph Erivors. Barrick hatte noch nicht viele Ratssitzungen miterlebt: Er und Briony wurden erst dazu geladen, seit ihr Vater weg war, und das jetzt war die erste ohne seine Schwester, was sein Unbehagen noch verstärkte. Er wurde das Gefühl nicht los, daß ein Teil von ihm fehlte, als ob er aufgewacht wäre und festgestellt hätte, daß er nur noch ein Bein hatte.
    Gailon von Gronefeld flüsterte dem Prinzregenten etwas ins linke Ohr. Sisel, der Hierarch von Südmark, hatte den Ehrenplatz an Kendricks rechter Seite. Der schlanke, rührige Mann von etwa sechzig Wintern war der Oberpriester der Markenlande, und obwohl er in manchen Dingen als ausführendes Organ des Trigonarchen im fernen Syan fungieren mußte, war er doch der erste Nordländer, der in dieses Amt berufen worden war, und daher den Eddons außergewöhnlich ergeben. Der Trigonarchie hatte es gar nicht gepaßt, daß König Olin einem Priester aus Südmark den Vorzug vor ihrem eigenen Kandidaten gegeben hatte, aber Syan und auch das

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